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Archiv-Artikel

Aus Angst gegen die Kunstfreiheit KOMMENTAR von DANIEL BAX

Es ist das gute Recht eines Intendanten oder einer Intendantin, ein Theaterstück aus künstlerischen Gründen oder aus Mangel an Publikumsresonanz vom Spielplan zu streichen. Auch das gehört zur Kunstfreiheit. Aber wenn als Begründung für die Absetzung eines Stücks die Angst vor gewalttätigen Reaktionen von islamistischer Seite genannt wird, dann müssen die Alarmglocken schrillen. Zu Recht ist aus der Absetzung einer Mozart-Oper in Berlin ein Politikum geworden.

Die Gefahr ist groß, dass damit ein Popanz aufgebaut wird. Denn von einer konkreten Gefährdung war nichts bekannt, im Gegenteil. Ein Jahr lang stand das Stück bereits auf dem Spielplan der Deutschen Oper, ohne dass jemand daran Anstoß genommen hätte, von ein paar Buhrufen bei der Premiere abgesehen. Tatsächlich ist die Frage erlaubt, ob Szenen mit abgetrennten Jesus- und Mohammed-Köpfen wirklich gelungen sind oder mit ihrer platten Botschaft nicht eher aus dem Provokationsarsenal der Siebzigerjahre stammen. Doch darum geht es jetzt nicht. Sondern um die Frage, ob Selbstzensur auf der Grundlage eines diffusen Bedrohungsgefühls gerechtfertigt ist. Für die Kunstfreiheit ist der Vorgang fatal. Denn irgendwer wird sich immer finden, der sich durch so ein Stück gestört fühlt. Das aber kann und darf nicht der Maßstab sein.

Nur zur Erinnerung: Bislang gab es noch nicht einmal Proteste gegen das Stück. Und die deutschen Muslime blieben ausgesprochen friedlich, selbst als beim Karikaturenstreit die Wogen hochkochten. Eher scheinen wir es bei der medial geschürten Islamisten-Paranoia also mit einer neuen Spielart der sprichwörtlichen „German Angst“ zu tun zu haben. Einst wurde damit eine spezifisch deutsche, übersteigerte Angst vor Umweltkatastrophen und Atomkrieg bezeichnet. Heute scheint eine wachsende Furcht vor islamistischem Terror an diese Stelle zu treten, die in keinem Verhältnis zur realen Gefährdung steht. Insofern ist das Beispiel aus Berlin symptomatisch: Die größte Gefahr für die Kunst- und Meinungsfreiheit in Deutschland geht nicht von radikalen Islamisten aus. Sondern von hasenfüßigen Intendanten, die sich von ihrer Angst den Spielplan diktieren lassen.