TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Tagtägliches beschreiben

Die Zeitungen langweilen mich“, schrieb Georges Perec, und das war nicht nur aus Überdruss gesagt. „Die Zeitungen schreiben über alles, außer über das Tagtägliche“, so Perec, der daran interessiert war, wie sich „das Selbstverständliche, das Hintergrundgeräusch, das Übliche“ beschreiben lässt.

Neulich, auf der Frankfurter Buchmesse, war es der Klatsch über die Prominenz, über überraschende Bestseller oder horrende Vorschüsse, der alle interessierte, aber kaum jemand nahm von der Realität des Üblichen Notiz, die sich vor aller Augen abspielte. Perec hat in seinem „Versuch, einen Platz in Paris zu erfassen“ (Libelle 2010) das Wagnis unternommen, dem Selbstverständlichen näher zu kommen. Würde man in seinem Sinne versuchen, die Buchmesse zu erfassen, ließe sich das am ehesten aus den Verlagsständen heraus bewerkstelligen, in der Aufzählung der Menschen, die sich auf der Suche nach etwas Unbestimmten befinden. Perec hätte sich dabei auf rein äußerliche Kriterien beschränkt, womit er letztlich eine Momentaufnahme machte, was ein Foto viel besser kann. Die unendliche Beschreibung der Menschen, von einem ruhenden Punkt aus unternommen, müsste psychologische oder soziale Kriterien enthalten, die eine Typologie erlaubten. Der unbekannte Autor, der Prospektesammler, der gehetzte Agent, der Verirrte, der Verwirrte, der Unentschlossene.

Was aber stellte man mit so einer Typologie an? Vielleicht ist das eine falsche Frage, schließlich ging es Perec um ein Experiment in dem kleinen Buch, das abseits des großen Trubels ein unbeachtetes Dasein fristet.

Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: privat