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Archiv-Artikel

Die kleinen Unterschiede

Wenn kein Sittenwächter guckt, nehmen die Mädchen den Männereingang: Der Doku „Kopftuch, Jeans und Internet“ (22.15 Uhr, Phoenix) gelingt ein unaufgeregtes Porträt der Jugend im Iran

Es ist immer gut, sich von landeskundigen Insidern begleiten zu lassen, wenn man ein fremdes Land kennen lernen will. Das haben sich auch die beiden Berliner Dokumentarfilmer Jakob Preuss und Felix Korfman gedacht und sich an die Fersen von jungen Iranerinnen gehängt, die im Ausland leben, aber gerade in die Heimat ihrer Eltern gereist sind.

Die 26-jährige Atussa aus Berlin war zuletzt vor fünf Jahren im Iran und registriert die subtilen Veränderungen: Die Mäntel der Mädchen im Norden von Teheran sind kürzer geworden, die Kopftücher sitzen lockerer. Das liegt, glaubt sie, nicht zuletzt am Einfluss des Satellitenfernsehens: Über 30 persischsprachige TV-Programme strahlen aus Kalifornien in die Haushalte der iranischen Mittelschicht, dazu kommen Musiksender wie MTV.

Über sie sowie über das Internet halten junge Iraner den Kontakt zur Welt. Entsprechend stylen sich die iranischen Jungs auf dem Uni-Campus und sind, mit viel Gel in den Haaren, kaum von ihren Altersgenossen anderswo zu unterscheiden. Die Studentinnen dagegen, die viel mehr durch die strengen Bekleidungsvorschriften gebunden sind, suchen nach anderen Wegen des Protests: Wenn kein Sittenwächter in der Nähe ist, nehmen sie den Eingang, der sonst ihren männlichen Kommilitonen vorbehalten ist. Und weil in der Uni-Mensa die Geschlechtertrennung gilt, weichen sie auf Cafés im Umfeld der Uni aus.

Der Iran ist ein junges Land: Ein Drittel der Bevölkerung des Iran ist jünger als 14 Jahre, mehr als zwei Drittel unter 30. Doch zwischen den Jugendlichen im Norden Teherans, wo die Oberschicht wohnt, und jenen, die im Süden der Stadt leben, liegen Welten. Hier hat die 19-jährige Yasmine aus der Schweiz einige Verwandte, die sie besucht. In diesem traditionellen Milieu fühlt sie sich wohl, trotz Armut und Religiosität. Und sie ahnt: Selbst wenn es im Iran keinen Kopftuchzwang gäbe, würden sich die Frauen hier weiter freiwillig verschleiern – weil sie es nicht anders kennen.

Auch die beiden jungen Nachwuchs-Mullahs, die in der heiligen Stadt Ghom studieren, können sich einen anderen Iran gar nicht vorstellen als den, der sich nach den Regeln des Islam richtet. So bietet sich das Bild eines zerrissenen Landes. Die studentische Jugend, so viel wird klar, hat sich innerlich schon längst vom islamistischen Zwangsregime verabschiedet, hört westliche Musik, liest europäische Literatur und will am liebsten im Ausland studieren. Aber die Mehrheit ist sie nicht. Deswegen bleibt fraglich, ob sie als zukünftige Elite eines Tages die Macht haben wird, ihr Land von innen zu verändern. DANIEL BAX