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Archiv-Artikel

US-GEHEIMDIENSTE SCHWEIGEN ZU AUSWEGEN AUS DER IRAK-KRISE Kein Triumph für Bush-Gegner

Ein nicht mehr ganz so geheimes Papier, verfasst von allen 16 US-Geheimdiensten, sagt es schwarz auf weiß: Der Einmarsch der USA in den Irak hat die Welt unsicherer gemacht. Er hat mehr Ressentiments gegen den Westen geschürt, mehr gewaltbereite Gotteskrieger erzeugt, die Terrorstrukturen diversifiziert und weniger Möglichkeiten zur Infiltration denn je ermöglicht. Dass US-Präsident George W. Bush schließlich Teile des Berichts veröffentlichen lässt, zeugt weniger von Einsicht in die eigenen Fehler als von der eigenartigen Logik im Oval Office des Weißen Hauses.

Sie geht so: Der Einmarsch in den Irak hat eine neue Generation von Terroristen hervorgebracht. Die gilt es mehr denn je zu bekämpfen, um den Krieg gegen den Terror zu gewinnen. Weshalb ein Rückzug aus dem Irak Wahnsinn wäre. Schließlich lautete das Hauptargument der Bush-Regierung für die Invasion im Irak, dass die Beseitigung Saddam Husseins Amerika sicherer machen würde. Die triumphale Bestätigung, die die genau gegenteilige Geheimdienst-Analyse den Bush-Kritikern nun verschaffen mag, ist allerdings gefährlich. Wichtiger ist nämlich die Frage: „Wie soll es im Irak weitergehen?“ Eine Antwort darauf ist nicht in Sicht. Sie steht nicht im Papier der Geheimdienste, die die geballte Analyse-Kompetenz mehrerer Ministerien abdecken. Sie fehlt den oppositionellen Demokraten im Kongress und erst recht dem Weißen Haus.

Die bittere Wahrheit ist: Für die USA kommt tatsächlich kein Rückzug aus dem Irak in Frage. Nicht nur, weil dort Schiiten und Sunniten übereinander herfallen und die Kurden sich abspalten könnten, sondern auch, weil dies ein Erfolgssignal an die neuen islamistischen Kämpfer wäre. Nicht einmal die anderen Regierungen im Nahen Osten, ebenfalls vom Terrorismus bedroht, wünschen sich den schnellen Abmarsch der US-Armee. Und selbst wenn die Demokraten die Kongresswahlen im November gewinnen sollten und Bush das Regieren erschweren, sind keine politischen Alternativen zu erwarten. Die Krise bleibt. Mehr noch: Sie verschärft sich ständig. ADRIENNE WOLTERSDORF