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Archiv-Artikel

„Jihad-Bewegung passt sich an“

US-geführte Antiterrormaßnahmen haben die Führung al-Qaidas ernsthaft geschwächt und ihre Operationen gestört; wir meinen dennoch, dass al-Qaida weiterhin die größte Bedrohung durch eine einzelne terroristische Organisation für das Inland und US-Interessen im Ausland darstellen wird. Wir befinden auch, dass die globale Jihad-Bewegung – die al-Qaida, verbündete und unabhängige Terrorgruppen sowie entstehende Netzwerke und Zellen umfasst – sich ausbreitet und sich an Antiterrormaßnahmen anpasst.

■ Obwohl wir das Ausmaß der Ausbreitung nicht präzise messen können, deutet eine große Menge von Berichten aller Quellen darauf hin, dass Aktivisten, die sich als Jihadisten identifizieren, sowohl in der Anzahl wie auch in der geografischen Verbreitung vermehren, obwohl sie einen kleinen Prozentsatz der Muslime darstellen.

■ Wenn dieser Trend fortdauert, werden Bedrohungen von US-Interessen im Inland und im Ausland vielfältiger werden, was zu vermehrten Angriffen weltweit führen wird.

■ Größerer Pluralismus und zugänglichere politische Systeme in mehrheitlich muslimischen Nationen würden einigen der politischen Vorhaltungen entgegentreten, die Jihadisten ausnutzen. Im Laufe der Zeit könnte solcher Fortschritt zusammen mit nachhaltigen, vielseitigen Programmen gegen die Verwundbarkeiten der jihadistischen Bewegung sowie mit anhaltendem Druck auf al-Qaida Unterstützung für die Jihadisten erodieren.

Wir befinden, dass die globale Jihadistenbewegung dezentralisiert ist, über keine kohärente globale Strategie verfügt und diffuser wird. Die Entstehung neuer Jihadisten-Netzwerke und -Zellen, mit antiamerikanischer Agenda, wird immer wahrscheinlicher. Das Zusammenspiel gemeinsamer Ziele und verstreuter Akteure wird es schwerer machen, Jihad-Gruppen zu finden und zu untergraben.

■ Wir befinden, dass die operationelle Bedrohung durch selbst radikalisierte Zellen für US-Antiterrormaßnahmen wichtiger werden wird, vor allem im Ausland, aber auch im Inland.

■ Die Jihadisten sehen Europa als wichtigen Ort, um westliche Interessen anzugreifen. Extremistische Netzwerke innerhalb der großen muslimischen Diasporas in Europa erleichtern Rekrutierung und Ausführung städtischer Angriffe, wie die Bombenanschläge von Madrid 2004 und London 2005 illustrieren.

Wir befinden, dass der Jihad im Irak eine neue Generation terroristischer Führer und Aktivisten prägt; wahrgenommener jihadistischer Erfolg dort würde mehr Kämpfer dazu inspirieren, den Kampf woanders fortzuführen.

■ Der Irak-Konflikt ist der „cause celèbre“ für Jihadisten geworden, der einen tiefen Groll gegen US-Einflussnahme in der muslimischen Welt nährt und Unterstützer für die globale Jihadisten-Bewegung züchtet. Sollten Jihadisten, die den Irak verlassen, von sich selbst und von anderen als gescheitert wahrgenommen werden, denken wir, dass weniger Kämpfer sich dazu inspirieren lassen werden, den Kampf fortzuführen.

Wir befinden, dass die unterschwelligen Faktoren, die die Ausbreitung der Bewegung begünstigen, über ihre Verwundbarkeiten überwiegen und dies für die Dauer dieser Einschätzung wahrscheinlich weiter tun werden.

■ Vier unterschwellige Faktoren begünstigen die Ausbreitung der jihadistischen Bewegung: 1) tief sitzender Groll, zum Beispiel über Korruption, Ungerechtigkeit, und Angst vor westlicher Dominanz, was zu Zorn, Erniedrigung und dem Gefühl von Machtlosigkeit führt; 2) der irakische „Jihad“; 3) das langsame Tempo realer und nachhaltiger wirtschaftlicher, sozialer und politischer Reformen in vielen mehrheitlich muslimischen Nationen; 4) verbreitete US-feindliche Stimmung unter den meisten Muslimen. All dies nutzen Jihadisten aus.

Zugleich sind Verwundbarkeiten in der Jihadisten-Bewegung aufgetaucht, die die Ausbreitung der Bewegung zu verlangsamen beginnen könnten, wenn sie vollständig aufgedeckt und ausgenutzt werden. Zu ihnen gehören: Abhängigkeit vom Andauern Muslim-bezogener Konflikte; der begrenzte Reiz der radikalen Ideologie der Jihadisten; das Auftauchen respektierter gemäßigter Stimmen; und Kritik der gewalttätigen Taktik, die gegen meist muslimische Bürger angewandt wird.

■ Die größte Verwundbarkeit der Jihadisten liegt darin, dass ihre politische Endlösung – eine ultrakonservative Auslegung Sharia-begründeter Regierungsformen, die die ganze muslimische Welt umspannt – bei der überwiegenden Mehrheit der Muslime unpopulär ist. Die religiösen und politischen Zwänge aufzudecken, die in der Propaganda der Jihadisten implizit sind, würde helfen, sie von ihren Zielgruppen zu spalten.

■ Jüngste Verurteilungen von Gewalt und von extremistischer Religionsauslegung durch einige hochrangige muslimische Geistliche signalisieren einen Trend, der das Wachstum einer konstruktiven Alternative zur Jihadisten-Ideologie erleichtern könnte: friedliche politische Betätigung. Dies könnte auch die ständige und dynamische Beteiligung breiterer muslimischer Gemeinschaften an der Ablehnung von Gewalt herbeiführen, was die Fähigkeit der Radikalen, sich auf passive Unterstützung der Gemeinschaften zu verlassen, verringert. Auf diese Weise entsteht der Mainstream-Islam als die mächtigste Waffe im Krieg gegen den Terror.

■ Sich der Ausbreitung der Jihadisten-Bewegung zu widersetzen wird konzertierte multilaterale Maßnahmen erfordern, die weit über Operationen zur Festnahme oder Tötung terroristischer Führer hinausgehen.

Wenn demokratische Reformen in mehrheitlich muslimischen Nationen in den nächsten fünf Jahren voranschreiten, würde politische Beteiligung vermutlich einen Spalt zwischen unnachgiebige Extremisten und Gruppen treiben, die dazu bereit sind, den politischen Prozess zur Erfüllung ihrer lokalen Ziele zu nutzen. Dennoch werden anhängige Reformen und potenziell destabilisierende Übergangsprozesse neue Gelegenheiten schaffen, die Jihadisten nutzen können.

Al-Qaida, jetzt mit Abu Mus’ab al-Zarkawis Netzwerk vereint, nutzt die Lage im Irak, um neue Rekruten und Geldgeber anzuwerben und seine Führungsrolle zu wahren.

■ Der Verlust von Schlüsselfiguren in rascher Folge, besonders Ussama Bin Laden, Ayman al-Zawahiri und al-Zarqawi, würde vermutlich zum Zerfall der Gruppe in kleinere Gruppen führen. Obwohl gleichgesinnte Einzelpersonen versuchen würden, die Mission weiterzuführen, würde der Verlust dieser Führer Spannungen und Streit verschärfen. Wir befinden, dass die daraus entstehenden Splittergruppen zumindest eine Zeit lang eine weniger ernste Bedrohung für US-Interessen darstellen würden, als es al-Qaida ist.

■ Sollte al-Zarqawi sich weiterhin der Festnahme entziehen und Angriffe auf Muslime zurückfahren, befinden wir, dass er seine Popularität erhöhen und eine globale Bedrohung darstellen könnte.

■ Die wachsende Rolle von Irakis beim Anführen von al-Qaida-Operationen im Irak könnte ausländische Jihad-Veteranen dazu bringen, ihre Maßnahmen auf auswärtige Operationen zu konzentrieren.

Andere verbündete Sunni-Extremistenorganisationen wie Jemaah Islamiya, Ansar al-Sunnah und mehrere nordafrikanische Gruppen werden voraussichtlich ihre Reichweite vergrößern, wenn man ihnen nicht entgegentritt, und ihre Fähigkeit erhöhen, mehrfache und/oder opferreiche Angriffe außerhalb ihrer traditionellen Operationsgebiete durchzuführen.

■ Wir befinden, dass solche Gruppen das Inland weniger bedrohen, als es al-Qaida tut, aber dass sie unterschiedliche Ausmaße von Bedrohung für unsere Verbündeten und für US-Interessen im Ausland darstellen. Der Fokus ihrer Angriffe wird wahrscheinlich zwischen lokalen Regimezielen und regionalen oder globalen Zielen wechseln.

Wir meinen, dass die meisten Jihadisten-Gruppen – sowohl die bekannten als auch die neu formierten – improvisierte Sprengkörper und Selbstmordangriffe gegen vorrangig „weiche“ Ziele einsetzen werden, um ihre asymmetrische Kriegsführungsstrategie umzusetzen, und dass sie versuchen werden, nachhaltige Terrorangriffe in städtischem Umfeld durchzuführen. Kämpfer mit Irak-Erfahrung bieten potenziell Führung für Jihadisten, die diese Taktiken verfolgen.

■ Jihadisten-Gruppen werden weiterhin nach chemischen, biologischen und atomaren Kapazitäten streben.

Während Iran, und in geringerem Ausmaß Syrien, die aktivsten staatlichen Sponsoren des Terrorismus bleiben, werden viele andere Staaten unfähig bleiben, die Nutzung ihres Staatsgebietes oder ihrer Ressourcen durch Terroristen zu verhindern.

US-feindliche und globalisierungsfeindliche Gefühle sind im Aufschwung und begünstigen andere radikale Ideologien. Dies könnte manche linken, nationalistischen oder separatistischen Gruppen dazu verleiten, terroristische Methoden anzuwenden, um US-Interessen anzugreifen. Der Radikalisierungsprozess vollzieht sich im Internet-Zeitalter schneller, verbreiteter und anonymer, was die Wahrscheinlichkeit von Überraschungsangriffen durch unbekannte Gruppen, deren Mitglieder und Unterstützer schwer festzustellen sein könnten, erhöht.

■ Wir meinen, dass Gruppen aller Art zunehmend das Internet nutzen werden, um zu kommunizieren, zu werben, zu rekrutieren, zu trainieren und logistische und finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Übersetzung: D. Johnson