Es menschelt im Roten Rathaus : Wowereit zeigt sein Pokerface
Polterwowi hat’s geschafft. Der auch künftige Regierende Bürgermeister hat bewiesen, dass er machtpolitisch nicht zu toppen ist. Sah es wenige Tage nach der Abgeordnetenhauswahl vor zwei Wochen so aus, als müsste Klaus Wowereit angesichts der knappen Mehrheiten sowohl für Rot-Rot als auch Rot-Grün um die Zustimmung jedes einzelnen Abgeordneten kämpfen, hat er es in den vier Sondierungsgesprächen geschafft, das Ruder zu seinen Gunsten herumzureißen.
Der demoralisierten Linkspartei hat er ihre Schlappe ohne Rücksicht vorgehalten. Die Grünen, die nach ihrem enormen Stimmengewinn – zugegeben ein wenig voreilig – automatisch von Rot-Grün ausgingen, hat er ebenfalls geschickt klein gemacht. Heute Abend wird Wowereit verkünden, wen er gnädigerweise in seine neue Regierung aufnehmen wird. Und einiges deutet darauf hin: Nicht politische Kriterien haben bei der Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt; vielmehr waren zwischenmenschliche Sympathiewerte ausschlaggebend.
Das mag beruhigen, zeigt es doch, dass auch im Roten Rathaus gemenschelt wird. Die Gelackmeierten sind jedoch die Grünen. Man kann sich die Sondierungsgespräche gut vorstellen: Auf der einen Tischseite Wowereit, sein gewiefter Landeschef Michael Müller und die kühl kalkulierende Senatorin Ingeborg Junge-Reyer. Auf der anderen Seite die Verhandlungsführer der Öko-Partei.
Grünen-Chef Till Heyer-Stuffer, der, gutmenschlich und väterlich, wie er ist, selbst im eigenen Verband zuweilen „Schluffer“ genannt wird und es mit knallharten Taktierern wie Müller kaum aufnehmen kann. Daneben Grünen-Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig. So „reala“ sie in vielen ihrer Positionen sein mag, sie hat eine Eigenart aus ihrer linksalternativen Yogi-Tee-Sozialisation behalten: den Hang, die Probleme bis ins Detail auszudiskutieren. Diese Debattenkultur bei ihr und den Grünen ist ehrenhaft – bei dem rüpelhaften Wowereit aus dem kleinbürgerlichem Tempelhof dürfte sie damit keinen Eindruck geschunden haben. Bleibt auf grüner Seite einzig der Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann, der es als erfahrener Jurist mit den Füchsen der SPD-Seite aufnehmen kann. Doch drei gegen einen – das schafft keiner.
Ganz anders hingegen die Boygroup der Linkspartei. Zwischen dem noch amtierenden Wirtschaftssenator Harald Wolf und den SPD-Spitzen sind nach fast fünf Jahren gemeinsamer Regierungsarbeit so etwas wie Männerfreundschaften entstanden, berichten Insider. Linkspartei-Fraktionschef Stefan Liebich ist so aalglatt, dass angeblich selbst der cholerische Wowereit nur selten bei ihm aneckt. Und der junge Parteichef Klaus Lederer hat es in seiner recht kurzen Amtszeit schnell verstanden, die regelmäßigen Wutausbrüche des Regierenden gelassen an sich abprallen zu lassen. Böse Zungen behaupten, Wowereit könne – zumindest was den Geschäftsalltag betrifft – mit Männern besser als mit Frauen. Kein Zufall also, dass die PDS bei der Aufstellung ihrer Verhandlungskommission Wowereit keine Frau entgegengesetzt hat? Alles Kalkül?
Die Grünen-Spitze mag bei der SPD noch so flehend auf den Knien angekrochen kommen. Sie können in ihren Kernforderungen nach mehr Öko, mehr Geld für Bildung und günstigeren BVG-Preisen den Sozis noch so entgegenkommen – das Rennen scheint gelaufen. Ein Trost für die Verlierer: So schnell müssen sie mit Wowereit nicht mehr an einem Tisch sitzen. FELIX LEE