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Archiv-Artikel

Lager ohne Flüchtlingskinder

AUSTRALIEN Asylsuchende Kinder sollen nicht mehr zwangsinterniert werden, sondern samt ihren Familien außerhalb der geschlossenen Lager leben dürfen

AUS CANBERRA URS WÄLTERLIN

Australiens Premierministerin Julia Gillard hat am Montag eine Wende in der Asylpolitik angekündigt. Künftig sollen Kinder, die auf einen Entscheid ihres Asylantrags warten, nicht mehr wie bisher oft Jahre in Internierungslagern ausharren müssen. Damit weicht Canberra die Politik der obligatorischen Internierung Asylsuchender erstmals seit Jahrzehnten auf.

Die geplante temporäre Entlassung aus der Internierung werde aber an Bedingungen geknüpft. So sei eine Einzelfallprüfung obligatorisch, damit sichergestellt werde, dass die Entlassenen keine Sicherheitsgefährung darstellten. Beantragten Kinder zusammen mit ihren Familien Asyl, könnten auch diese in die Obhut gemeinnütziger Organisationen entlassen werden, bis über ihren Antrag entschieden sei. Zugleich kündigte der Einwanderungsminister Chris Bowen den Bau von zwei neuen Internierungslagern in Perth und Adelaide für 2.000 Personen an. Australien verhandelt auch mit Osttimor über die Einrichtung eines regionalen Lagers bei Dili.

742 Kinder sind derzeit in Internierungshaft. Meist stammen sie aus Afghanistan, Irak und Iran, die von Indonesien aus in Fischerbooten in australische Gewässer gelangten und dort aufgegriffen wurden. 2009 kamen so rund 3.000 „Boat People“ nach Australien. 5.000 sitzen insgesamt hinter Stacheldraht in Lagern. Die obligatorische Inhaftierung der Bootsflüchtlinge bezeichnen humanitäre Organisationen regelmäßig als „menschenunwürdig“. Selbstverstümmelungen und Suizide sind in den Lagern keine Seltenheit.

Den Höhepunkt erreichte diese abschreckende Politik unter dem bis Dezember 2007 amtierenden konservativen Premier John Howard. Er ließ hunderte Flüchtlinge in der Wüste oder auf abgelegenen pazifischen Inseln internieren. Doch 95 Prozent aller Antragsteller erhielten schließlich Asyl.

Die Juraprofessorin Mary Crock von der Universität Sidney begrüßte die Entlassung von Kindern aus den zum Teil isoliert gelegenen Lagern. „Die Internierung ist sehr negativ für die geistige Gesundheit der Asylsuchenden“, so die Expertin. Es sei „unglaublich“, dass Australien bis heute „als einziges Land der Welt Asylsuchende nicht unter die Bevölkerung lässt, wenn sie keine Gefahr bedeuten“.