: Grüne wenigstens beim Verlieren vorn
Noch bevor Klaus Wowereit Rot-Rot verkündete, verrieten die Grünen das Ergebnis. Ansonsten ist die Enttäuschung groß
Die enttäuschten Verlierer warteten gar nicht erst, bis Klaus Wowereit am gestrigen Abend vor die Tür des Sitzungssaals im Abgeordnetenhaus trat. Bevor der Regierende Bürgermeister, der nichts so sehr wie einen guten Auftritt liebt, seine Entscheidung für die PDS – und damit für Rot-Rot – verkünden konnte, redeten die Grünen. Und stahlen Show-Wowi die Schau.
Noch während die SPD-Vorstandsmitglieder hinter verschlossenen Türen tagten, sagte Franziska Eichstädt-Bohlig der taz: „Wir haben ein Angebot für einen politischen Aufbruch in der Stadt gemacht – die SPD will dieses Angebot nicht annehmen.“ Der Absage-Anruf aus den SPD-Reihen hatte die Grünen-Spitze am Nachmittag ereilt. Obwohl viele in der Partei mit einer solchen Entscheidung gerechnet hatten, war die Enttäuschung groß. Wowereit habe sich für die PDS entschieden, weil er die „besser im Griff“ habe, sagte Eichstädt-Bohlig weiter. „Das ist keine inhaltliche Entscheidung, sondern eine taktische.“
Für sie ist das Rennen um die Regierungsbeteiligung mit dem gestrigen SPD-Entscheid gelaufen – auch wenn die Koalitionsverhandlungen erst noch anstehen und die Sozialisten mehr PDS in einem Bündnis durchsetzen wollen. „Die PDS hat jahrelange Übung darin, der SPD unter den Rock zu kriechen“, so Eichstädt-Bohlig. Die Partei habe sich von Wowereit billig abspeisen lassen – so habe sie etwa lediglich Pilotprojekte für Gemeinschaftsschulen vereinbart. „Wir hatten dagegen bereits vereinbart, Haupt- und Realschule zusammenzulegen.“
Wowereits Präferenz hatte sich in den letzten Tagen durch viele Zeichen angedeutet, die die versammelten Kristallkugelgucker der Hauptstadt eifrig interpretierten. Die Grünen erbosten führende Sozialdemokraten früh mit der Forderung nach drei Senatorenposten. In den Sondierungsgesprächen bissen sie mit vielen ihrer Ideen auf Granit – etwa einer Citymaut für die Innenstadt. Auch die Idee, mehr Geld aus Mehrwertsteuereinnahmen in Schulen zu stecken, blockte die SPD ab. Mehr noch, SPD-Landeschef Michael Müller lästerte nach dem Sondierungstreffen im Fernsehen, die Grünen wollten „Geschenke in der Stadt verteilen“. Das klang, als habe die SPD-Spitze die rot-grüne Option schon lange vor der gestrigen Vorstandssitzung im Abgeordnetenhaus abgeschrieben.
Die Grünen machen nun das, was sie gut können – „eine beinharte Opposition“. So zumindest hieß es gestern. Innerlich haben sich die meisten schon darauf vorbereitet. Und die Fraktion traf bereits am Dienstag eine wichtige Personalentscheidung. Sie wählte Eichstädt-Bohlig, die gerne Stadtentwicklungssenatorin geworden wäre, zu ihrer neuen Chefin. ULRICH SCHULTE