: Wem gehört ein Kind?
Ein operiertes afghanisches Mädchen will in Deutschland bleiben. Doch die leiblichen Eltern fordern die Rückkehr
In diesem Fall möchte man nicht Richter sein, denn es ist längst zu spät, eine für alle Seiten akzeptable Entscheidung zu treffen. Es geht um das heute 14-jährige afghanische Mädchen F., das an einer Beinverletzung litt, es drohte die Amputation. Doch ein Verein von ehrenamtlichen Ärzten, das Hammer Forum, holte F. nach Deutschland und ermöglichte ihm eine medizinische Behandlung. In der Klinik freundete sich F. mit einer Krankenschwester an, die das Kind immer öfter und schließlich ganz zu sich nach Hause nahm. Die Krankenschwester und ihr Mann waren bisher kinderlos, mit F. waren sie zur Familie geworden. F.s leibliche Eltern, arme Tagelöhner aus Afghanistan, klagten jedoch auf Rückkehr des Kindes.
Seitdem geht der Fall durch die Instanzen. Das Landgericht ordnete die Rückkehr an, das Oberlandesgericht den Verbleib in Deutschland und das Bundesverfassungsgericht forderte gestern eine neue Entscheidung, bei der das Elternrecht mehr berücksichtigt werden muss. Was ist nun richtig?
Auf die Interessen der Gastfamilie kommt es wohl am wenigsten an. Sie hat sich das Kind hinter dem Rücken des Hammer Forums quasi erschlichen und durch diese Eigenmächtigkeit wenig erzieherische Kompetenz gezeigt. Die afghanischen Eltern haben der Gastfamilie inzwischen mit Gewalt gedroht, was aus ihrer ohnmächtigen Wut vielleicht verständlich ist – aber wer weiß, ob sie die Wut nicht später auch an F. abreagieren.
F. wiederum will unbedingt in Deutschland bleiben. Und wenn es nach dem Kindeswohl geht, wäre damit eigentlich alles gesagt, schließlich ist F. inzwischen schon 14 Jahre alt. Allerdings ist unser Ausländerrecht bekannt engherzig. Und nach derzeitiger Rechtslage muss sie mit 18 auf jeden Fall wieder nach Afghanistan zurück.
Karlsruhe gab gestern eher ein Signal Richtung Rückkehr. Es sei zu berücksichtigen, dass künftig weniger Kinder zur Operation nach Deutschland kommen werden, wenn Eltern dann den Verlust des Kindes fürchten müssen. Zumindest eines ist sicher: In derartigen Fällen muss künftig viel schneller Klarheit geschaffen werden.
CHRISTIAN RATH