: „In einer Grauzone“
HÖREN Das Bremer Hörkino präsentiert Ulrich Teuschs Radio-Feature über Lügen in der Politik
■ 55, ist Hörfunk- und Sachbuchautor und erhielt für sein SWR2-Feature „Nicht schwindelfrei – über Lügen in der Politik“ den Roman-Herzog-Medienpreis 2013.
taz: Herr Teusch, wo fängt eine handfeste politische Lüge an?
Ulrich Teusch: Handfest wird es, wenn ein Politiker lügt, um seinen Kopf zu retten. Solche Lügen sind aber selten und sehr schwer glasklar nachzuweisen. In der Regel bewegen Politiker sich in einer Grauzone, die viel mit Taktik zu tun hat, da wird verzerrt, verschwiegen und vorenthalten. Oder Dinge werden gesagt, die man ja gar nicht so gemeint hat, zum Beispiel werden Versprechen gemacht, die nicht eingehalten werden. Meist merkt man diese Form der Lüge gar nicht oder zu spät.
Inwiefern?
Themen, die nach außen dringen, werden lanciert, da kann man teilweise durchaus von Propaganda sprechen. Medien und die Öffentlichkeit fallen auf Kampagnen herein, zum Beispiel das Versprechen, die Steuern zu senken. Wenn die Unwahrheit aufgedeckt wird, hat die Manipulation längst ihre Wirkung entfaltet oder Wahlen haben bereits stattgefunden.
Hat ein Politiker, der stets die Wahrheit sagt, überhaupt Chancen bei den Wählern?
Oft tatsächlich nicht, das ist das große Dilemma. Viele Bürger müssen sich da durchaus an die eigenen Nase fassen. Sie wollen Politiker, die ihnen ein bequemes Leben versprechen. Sie verdrängen die Wahrheit gern selbst, zum Beispiel in ihrem Konsumverhalten oder in ihrer persönlichen Ökobilanz.
Gibt es Lügen, die legitim sind?
Manchmal ist eine gewisse Geheimhaltung legitim, um ein angestrebtes Ziel nicht zu gefährden. Und dann gibt es Unwahrheiten, die sich im Nachhinein legitimieren. Ich stelle in meinem Feature zum Beispiel ganz ketzerisch die Frage, was gewesen wäre, wenn der Irak-Krieg zu einem demokratischen System geführt hätte; ob so manche Lüge dann nicht im Nachhinein sogar als notwenig erachtet worden wäre. So etwas kann es also geben, daraus sollte man aber keine Regel machen. INTERVIEW: SCHN
20 Uhr, SWB-Center, Sögestraße