Heiße Mädchen suchen heiße Jungs

Ohne Tänzer wäre dieser Abend nichts gewesen: Missy Elliott, die First Lady of Rap, bot in der Arena ein fragwürdiges Feuerwerk der Cross-Promotion. Der Sound war mies, die Künstlerin pries ihre Winterstiefel, doch niemand murrte

Es war wieder mal ein rechtes Hiphop-Stadl am Samstagabend in der Arena! In der nur ganz locker gefüllten Halle herrschte eine muntere Schulhofatmosphäre – man wartete auf Missy Elliott.

Sie ist aber auch toll, die erste Rapperin, die im Hiphop auch als Produzentin kommerziell erfolgreich wurde. Ein big black girl wird Labelchefin, schraubt mit Timbaland an ihren eigenen Beats und revolutioniert nebenbei Hiphop durch Old-School-Sound im neuen Styling. Dieses Jahr erschien ihre Best-of-CD „Respect M. E.“, für zwei Konzerte kam Missy Elliott nun nach Deutschland.

Eine große runde Stahlstrebenkonstruktion, vielleicht eine Weltkugel, wurde auf die Bühne gerollt, und mit großem Tamtam entstieg die bejubelte Missy. Sie und ihr Co-Moderator ergingen sich fortan in Sprachspielen und rhetorischen Fragen wie „How many hot girls are looking for some hot boys tonight?“, die zur Sicherheit etwa 20 Mal wiederholt wurden. Des Weiteren wurde abgefragt, wer sonst so hot ist und wer wohl die allerbesten Tänzer hat. „Flying Dancers“ hat natürlich nur Missy Elliott.

Und es stimmt: Ohne Tänzer wäre dieser Abend nichts gewesen. Sie flogen wirklich über die Bühne, mit weißen „Scream“-Masken und in Overalls oder auch halb nackt, sie zeigten Breakdance-Akrobatik und krumpten, was das Zeug hielt. Beim Krumping, einem Tanzstil aus South Central L. A., werden die Tänzer von schweren Zuckungen befallen. Beine und Arme wirbeln in Hochgeschwindigkeit durch die Luft, Spasmen zucken wie Elektroschocks durch die Körper. So schüttelt man sich rasch in Trance, als Ausdruck innerer Aufruhr und Verzweiflung – ein Tanz, der die ganze Seele des Tänzers fordert.

Der Sound war, wie leider fast immer bei großen Hiphop-Konzerten, sehr schlecht. Im Klangbrei gingen die Stücke so ineinander über, dass man sie schwerlich auseinanderhalten konnte. Das legendäre „Work It“ ließ sich zwar identifizieren, aber nur Worte und Rhythmus wurden da delivered. Das Elefantengetröte, die Rückwärtsgesänge und andere Feinheiten musste man sich selbst dazu denken. Dafür zeigte die First Lady of Rap große Teile ihrer eigenen Modekollektion. Da prangten Kronen und Streifen in Silber auf Schwarz und Gold auf Burgund. Dem Publikum schien es die reinste Freude zu sein.

Und schon zog Missy Elliott ihre Stiefel aus, forderte ihr Publikum zum Springen auf, der Kollege kletterte auf sämtliche Bühnenerhöhungen und hielt die Reliquien der aufjauchzenden Menge entgegen. Aber wie so oft im Mainstream-Hiphop steht hinter den rätselhaften Ritualen ein ganz einfaches, ökonomisches Interesse: Die so dargebotene Fußbekleidung sollte wohl einfach nur auf die Winterkollektion und den „Missy Winterboot“ hinweisen.

Im besinnlichen Teil wurde dann noch nach der Aufforderung „Put all your cell phones in the air!“ der Toten des Hiphop, allen voran Tupac Shakur, gedacht. Dann stieg Missy wieder in die Kugel, ein Feuerwerk knallte los, Konfetti rieselte auf die Fans nieder, die Türen der Arena öffneten sich und alle trabten nach nur etwa 60 Minuten einer recht fragwürdigen Show ohne Murren brav nach Hause.

CHRISTIANE RÖSINGER