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Archiv-Artikel

Projekte gegen Rechts auf der Kippe

Nach dem Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern gewährt der Bund dem Civitas-Programm gegen Rechts nur eine Gnadenfrist. Vordergründig geht es um die Finanzen, dahinter steht der Konflikt zwischen Etatismus und Zivilgesellschaft

VON ANDREAS SPEIT

Die Anfragen nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern sind gestiegen. Vor allem Schulen fragen nach dem Einzug der NPD ins Schweriner Schloss bei den Beratungsstellen gegen Rechts vermehrt nach. „Aber auch Gemeinden und Kommunen rufen an“, sagt Cornelia Neumann vom „Mobilen Beratungsteam für demokratische Kultur“ (MBT) in Schwerin. „Die Auseinandersetzungen dürften zunehmen“, meint MBT-Projektleiter Karl-Georg Ohse. Durch den Wahlerfolg habe die rechte Szene jetzt „viel Geld für noch ganz andere Provokationen“. Die finanzielle Absicherung der verschiedenen Beratungsstellen ist dagegen immer noch unsicher. „Die Rechten bekommen Geld durch den Staat, wir vom Bund bald nicht mehr“, befürchtet Ohse.

Allein in Westmecklenburg läuft Ende 2006 die Finanzierung von etwa 17 Projekten durch das Bundesprogramm Civitas aus. An die 20 Mitarbeiter in den Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt, den Netzwerkstellen gegen Rechts, den lokalen Projekten für zivilgesellschaftliche Aktivitäten und den MBTs wissen nicht, ob sie weiter handeln können, oder arbeitslos werden. „Das Bundesministerium von Ursula von der Leyen hat nicht mit uns das Gespräch gesucht“, sagt Christian Utpadel, Geschäftsführer der „Regionalen Arbeitsstelle für Jugendhilfe, Schule und interkulturelle Arbeit“ (RAA), die Zusammen mit der evangelischen Akademie Träger der Mobilen Beratungsteams ist. Rund 80 Prozent des Gesamtetats von 500.000 Euro jährlich stammen aus dem Civitas-Programm. Utpadel hat „bloß über die Presse“ erfahren, dass die Strukturprojekte nun voraussichtlich doch bis zum 1. Juli 2007 vom Bund weiter finanziert werden sollen.

Auf öffentlichen Druck räumte die Ministerin diese Verlängerung ein. „Die kurzfristige Absicherung ist erfreulich“, sagt Utpadel. Eine nachhaltige Arbeit in den strukturschwachen kleinstädtischen und ländlichen Regionen könne aber nur langfristig angelegt sein. „Erst wenn wir in den Vereinen, Sportclubs und Freiwilligen Feuerwehren wirken“, so Ohse, „dann bewegen wir nachhaltig was“. Aber das sei ein langwieriger Prozess. „Die Projekte müssen deshalb mittelfristig abgesichert werden“, fordert Utpadel. „Wir werden schließen“, sagt dagegen kurz und bündig Sabine Klemm von der Netzwerkstelle Schwerin, die im Land Lehrerfortbildungen ausrichtet. „Schönes Signal für Rechts“, sagt sie desillusioniert.

Neben den Strukturprojekten, die in dem Land Akteure gegen Rechts unterstützen sind auch einzelne Initiativen gefährdet. Friedrich Heibrock, Geschäftsführer des Landesjugendrings, erklärt: „Die weitere Finanzierung unserer lokalhistorischen Projekte ist unsicher.“ Der „Kuchen“ werde kleiner. Dasselbe befürchtet Dana Bauers vom Jugendkulturnetzwerk, das versucht, nicht-rechte Jugendkulturen zu stärken, etwa durch die Förderung von Musikbands.

Ab 2007 will die Bundesministerin 19 Millionen Euro für ein neues Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ bereitstellen. Aber gerade die langjährigen Projekte mit ihren erworbenen Erfahrungen und aufgebauten Netzwerken sollen nicht gefördert werden. Die Bundeshaushaltsordnung, so das Ministerium, lasse keine dauerhaften Förderungen in den Ländern zu. Warum bestehende Strukturen zerschlagen und dann neue Projekte erst aufgebaut werden sollen, will die SPD-Landtagsfraktion im Schweriner Schloss nicht einsehen. Schon im Februar hatten sie Peter Struck (SPD) gebeten, beim Regierungspartner die Weiterführung der Civitas-Förderung durchzusetzen. Für den kommenden Haushalt haben die Parteien bereits 150.000 Euro Landesmittel für die Projekte eingeplant, sagt Borchert. Kommen die 350.000 Euro vom Bund dazu, dann sind sie nicht gefährdet.

Bei dem Streit um Civitas innerhalb der Bundesregierung geht es aber nicht bloß ums Geld. Von der Leyen möchte, dass kommunale Gremien die Förderungen verstärkt mitentscheiden. In Mecklenburg-Vorpommern, das erfuhren die Civitas-Projekte immer wieder, halten aber nicht alle Kommunen den Kampf gegen Rechts für nötig. Sollte die NPD mit in den Gremien sitzen, dürfte eine Förderung auf sich warten lassen. Der Politikwissenschaftler Richard Stöss von der Freien Universität Berlin sieht in dem sich zuspitzen Konflikt eine ideologische Auseinandersetzung. „Von der Leyen setzt mit der Orientierung auf die Kommunalverwaltung auf den Staat“, sagt Stöss und: „SPD, Grüne und Linkspartei wollen mit der Förderung von Initiativen die Zivilgesellschaft stützen.“