: Früher schmeckten die Wurststullen besser
DOKUMENTARFILM In „Union fürs Leben“ beschäftigen sich die Filmemacher Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech mit dem Köpenicker Fußballclub 1. FC Union. Sie porträtieren vor allem die Fans – und nehmen sich dabei viel Zeit
Gerade ging das alljährliche 11-mm-Fußballfilmfestival zu Ende, das mit dem Film „Union fürs Leben“ eröffnet worden war. Nun kommt der Dokumentarfilm über diesen hervorragenden und allseits beliebten Fußballclub aus Treptow-Köpenick in die Kinos.
In ihrem ersten Film, „Das Leben ist kein Heimspiel“, ging es den beiden Regisseuren Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech um den Aufstieg der TSG Hoffenheim. Nun also Union, der warmherzige Kultclub aus dem Osten, der schon häufig porträtiert wurde, etwa in dem Film „Eisern vereint“ (2009) von Andreas Gräfenstein und Fabian Daub. Der erzählte davon, wie die Fans ihrem Lieblingsverein ein zweitligataugliches Stadion bauen. Oder in dem Theaterstück „Und niemals vergessen – Eisern Union!“, bei dem auch einer der Protagonisten von „Union fürs Leben“ mitwirkt.
Wie in so vielen Fußballfilmen, die einen einzelnen Verein und dessen Fans porträtieren, gibt der Club Heimat und Halt in einer sich ständig verändernden Welt. Man ist Schalke-Fan „ein Leben lang“, wie es im Vereinslied heißt. „Einmal Berolina, immer Berolina“, steht auf den Schals des bekannten Clubs aus Berlin-Mitte – oder eben „Union fürs Leben“. Während Fußballprofis den Verein in ihrer Karriere häufig wechseln, geloben die Fans ewige Treue.
„Union fürs Leben“ porträtiert vor allem Fans: zum Beispiel Chris Lopatta, der seit 40 Jahren auf den Rängen und seit acht Jahren als Schauspieler im Stück „Eisern Union“ auf der Theaterbühne steht. Ein sympathisch bodenständig wirkender Schauspieler, der von seiner glücklichen Jugend im Osten erzählt und weiß: „’ne Wurststulle schmeckt heute nicht mehr so gut wie damals“.
Oder der CDU-Politiker Mario Czaja, ein Ostberliner Katholik, der zu Union fand, nachdem der Verein die Wendewirren wirtschaftlich halbwegs gemeistert hatte. Im Film wirkt der Kreisvorsitzende des CDU-Kreisverbandes Wuhletal noch manchmal etwas unsicher; mittlerweile ist er Sozialsenator in Berlin.
Oder Alexander Grambow, der Sohn eines verschollenen Alkoholikers, und sein Sozialarbeiter Stefan Schützler, ein ehemaliger Grenzoffizier, für den der Stehplatz nach dem Mauerfall zur neuen Heimat wurde. Oder Christopher Quiring, geboren 1990, der seit 2010 für die erste Mannschaft von Union spielt und Sachen sagt, die man als junger Profi eben sagt, wie toll es doch sei, „für diese Fans zu spielen“. Er wirkt entsetzt, nachdem „die alte Dame Hertha“ beim „Mythos Union“ gewonnen hat, vor allem darüber, dass „die Wessis in unserem Stadion jubeln“.
Wie in so vielen Fußballfilmen wird die große Familie beschworen, deren unterschiedliche Mitglieder sich in der tätigen Vergötzung ihres Vereins zusammen finden. Die Besonderheit des Fußballclubs wird betont; es gibt Bilder von familienorientierten Fanfesten mit Drachenbootfahren und vom alljährlichen Weihnachtssingen in der Alten Försterei. „Das Wirgefühl lebt“, sagt Mario Czaja.
Es gibt etwas knappe Rückblicke in die Geschichte, als Union sozusagen das Gegenmodell des Stasiclubs BFC Dynamo war, als es hieß: „Nicht jeder Union-Fan ist ein Klassenfeind, aber jeder Klassenfeind ist ein Union-Fan.“
Dass Fußballclubs wie Union auch Wirtschaftsunternehmen sind, dass Zweitligaspieler nicht wenig verdienen (7.000 bis 15.000 Euro im Monat laut Spielergewerkschaft), geht ein bisschen unter.
Was mir an „Union fürs Leben“ aber gut gefallen hat, was den Film auch von vielen anderen Fußballfilmen unterscheidet, ist, dass er überraschend still ist und sich Zeit nimmt für seine Protagonisten. DETLEF KUHLBRODT
■ „Union fürs Leben“. Regie: Frank Marten Pfeiffer, Rouven Rech. Dokumentarfilm, Deutschland 2013, 98 Min.