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Archiv-Artikel

Fast überall Gewinner

ENERGIEGIPFEL Gabriel erfüllt viele Wünsche der Länder – und sichert sich damit eine Mehrheit für seine Reform

Beschlüsse und offene Fragen

■ Bei der Windkraft an Land konnten sich die Länder mit der Forderung durchsetzen, dass sich das von Gabriel geplante Ausbauziel von 2.500 Megawatt im Jahr auf den tatsächlichen Netto-Zubau bezieht. Alte Anlagen, die im Gegenzug abgebaut werden, werden also abgezogen. Zudem werden die Vergütungen so angepasst, dass Windräder auch im Binnenland weiterhin rentabel sind. Keine Einigung gab es über den Stichtag für die Neuregelung. Die Länder wollten ihn von Januar aufs Jahresende verschieben.

■ Bei der Windenergie im Meer soll die Vergütung bis 2019 nur halb so stark sinken wie bisher geplant. Zudem sollen mehr Anlagen als vorgesehen genehmigt werden, um sicherzustellen, dass das geplante Ausbauziel von insgesamt 6.500 Megawatt bis 2020 auf jeden Fall erreicht wird.

■ Auch der Ausbau der Biomasse wird weniger stark beschnitten als zuvor geplant. Hier soll der geplante Deckel von 100 Megawatt im Jahr nicht für Erweiterungen bestehender Anlagen gelten. Wichtige Boni bleiben bestehen.

■ Strom aus eigenen Kraftwerken bleibt auf Druck der Länder für bestehende Anlagen von der EEG-Umlage komplett befreit. Neue Anlagen sollen differenziert bezahlen; die Details sind offen.

■ Noch ungeklärt sind die künftigen Industrieausnahmen von der EEG-Umlage. Darüber wurde am Mittwoch erneut in Brüssel verhandelt. Ein erster Entwurf der EU sah vor, dass die Ausnahmen sogar steigen könnten.

■ Auch die Frage, wie stark sich Schienenbahnen künftig an der EEG-Umlage beteiligen müssen, ist innerhalb der Regierung noch strittig. MKR

AUS BERLIN MALTE KREUTZFELDT

Sigmar Gabriel versuchte nach Kräften, sich als Gewinner zu präsentieren. „Wir haben jetzt den ersten großen Schritt zur Absicherung der Energiewende geschafft“, sagte der Wirtschaftsminister am späten Dienstagabend, als er nach fast vierstündigen Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer eine weitgehende Einigung über sein zentrales Projekt verkünden konnte: die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, kurz EEG.

Auch die Kanzlerin, die zu dem Treffen eingeladen hatte, versuchte sich an so etwas wie einem Lob für ihren Stellvertreter. „Man kann vielleicht auch sagen, dass der Entwurf des Bundeswirtschaftsministers schon eine relativ gute Ausgangslage war“, sagte Angela Merkel nach den Verhandlungen.

Tatsächlich gewonnen haben aber andere: Die Bundesländer konnten viele ihrer Forderungen durchsetzen. Besonders zufrieden war Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Torsten Albig, der sich im Vorfeld als schärfster Kritiker der Pläne seines Parteichefs profiliert hatte. „Das ist ein guter Tag für die Windenergie in Deutschland“, kommentierte er die Entscheidung, dass die Bedingungen für den Windausbau sowohl an Land als auch im Meer nun so gestaltet werden sollen, wie die Länder gefordert hatten (siehe links). Albig zeigte sich optimistisch, dass die Reform den Bundesrat passieren werde. Die verbliebenen Streitpunkte seien „nichts, woran das Verfahren scheitern wird“.

Auch anderen waren Erfolge vergönnt: Die Südländer Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen konnten etwas bessere Bedingungen für den Ausbau von Biomasse-Kraftwerken durchsetzen; wie schon im Vorfeld angekündigt erreichten Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, dass bestehende Kraftwerke für die Eigenversorgung von Unternehmen weiterhin komplett von der Ökostrom-Umlage befreit bleiben.

Deutlich teurer werden soll der Strom durch die jüngsten Entscheidungen nicht. Die veränderten Bedingungen bei Wind und Biomasse würden die EEG-Umlage, mit der der Ökostrom-Ausbau finanziert wird, im Vergleich zu den bisherigen Planungen Mehrkosten von 0,2 Cent pro Kilowattstunde bedeuten, sagte Gabriel. Wie sich die Freistellung des Eigenstroms auswirkt, blieb offen. Derzeit liegt die Umlage bei 6,24 Cent, bis 2020 ging die Regierung bisher von einem Anstieg auf rund 7 Cent aus.

Ungeklärt war nach dem Bund-Länder-Treffen auch noch, inwieweit sich die energieintensive Industrie bei ihrem generellen Stromverbrauch künftig an der EEG-Umlage beteiligen muss. Dies hängt unter anderem von den Vorgaben der EU-Kommission ab, über die noch verhandelt wird. Gabriel war am Mittwoch erneut zu Gesprächen in Brüssel; diese brachten aber noch keine endgültige Einigung. Erste Entwürfe hatten darauf hingedeutet, dass die privilegierte Strommenge sogar noch wachsen könnte. Gabriels Staatssekretär Rainer Baake äußerte am Mittwoch jedoch die Erwartung, dass die Zahl der befreiten Unternehmen sinkt.

Verbraucherzentrale ist unzufrieden: Stromkunden können nicht mit sinkenden Preisen rechnen

Uneinig, ob es einen Sieg zu feiern gibt, zeigten sich die Grünen. Während Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach den Verhandlungen von einem „guten Kompromiss“ sprach und auch die Industrie-Ausnahmen unterstützte, übte Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter deutliche Kritik. Es sei gelungen, „einige Giftzähne“ aus Gabriels Entwurf zu ziehen. Die Energiewende dennoch gebremst und die vielen Industrieprivilegien seien nicht akzeptabel, sagte er.

Differenziert fiel auch die Stellungnahme des Bundesverbands Erneuerbare Energien aus, der im Vorfeld kaum ein gutes Haar an Gabriels Entwurf gelassen hatte. Geschäftsführer Hermann Falk sprach von „viel Licht in der Einigung“. Kritik übte er daran, dass die geplante Abgabe auf selbst verbrauchten Solarstrom noch nicht vom Tisch ist und der geplante Stichtag für die Neuregelung bei Windanlagen nicht verschoben wurde.

Klare Ablehnung kam von Caren Lay (Die Linke). Bund und Länder seien vor der Industrielobby eingeknickt, sagte sie. Auch die Verbraucherzentrale ist unzufrieden, weil Stromkunden weiterhin nicht mit sinkenden Preisen rechnen können.

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