: Wenn der Bagger brennt
BAUGEMEINSCHAFTEN Wenn linke Aktivisten Baugruppen bekämpfen, verstellt das den Blick auf das eigentliche Problem: Benötigt wird eine neue kommunale Finanzierungsstruktur für bezahlbaren Wohnraum
VON FLORIAN SCHÖTTLE
„Neoliberale Politik“ ist eigentlich schon ein frecher Euphemismus für einen krassen Sachverhalt: Das Gemeinwesen verringert seinen Organisationsgrad, damit eine kleine Clique auf Kosten aller der Raffgier frönen kann. Dadurch werden die in einer Ära erstaunlicher kollektiver Vernunft aufgebauten sozialen Errungenschaften aufgefressen.
Eine dieser Errungenschaften ist der „soziale Wohnungsbau“. Mit der wachsenden Prosperität des Wirtschaftswunders hat sich aber leider in Deutschland die Korruption bis in die obersten politischen Ebenen hineingefressen, was zu einem wesentlichen Teil der erdrückenden Verschuldung geführt hat, welche die Kommunen heute belastet.
Es kann ein probates Mittel sein, Bagger anzuzünden, um auf bestimmte Probleme aufmerksam zu machen, und es ist keineswegs neu. Neu hingegen ist, dass der Bagger auf dem Grundstück einer Baugemeinschaft steht, zu der unter Umständen ein Mensch gehört, der bei der letzten Anti-Atomkraft-Demo vielleicht neben demjenigen gelaufen ist, der den Molli über den Zaun geworfen hat.
Der gemeinschaftliche Bauherr, er verhält sich bestimmt solidarisch innerhalb der zukünftigen Hausgemeinschaft. Doch der mit dem Brandsatz angegriffene Gutmensch hat das Pech, dass er angesichts einer nicht öffentlich formulierten Stadtentwicklungspolitik ein sichtbarer und damit angreifbarer Protagonist der Tatsache ist, dass nun wieder nur derjenige ein Recht auf Stadt hat, der sich ein Stück davon kaufen kann.
Dass Menschen sich in die Geborgenheit einer Gruppe Gleichgesinnter begeben und versuchen, sich durch solidarisches Handeln das Leben leichter zu machen, fand insbesondere in Zeiten der Linkenhatz der siebziger und achtziger Jahre Verbreitung. Einige Baugruppen folgen in ihrer Denke nach wie vor dieser Tradition, nur dass es im Vergleich zu früher Menschen mit kleinen Geldbeuteln ungleich schwerer haben, an solchen Projekten teilzunehmen.
Wo Stadtentwicklungspolitik nicht öffentlich formuliert wird, macht sich kein Stadtentwicklungspolitiker angreifbar. Das ist geschickt eingefädelt, und wenn die unterschiedlichen Akteure der Stadtgestaltung sich auch noch untereinander bekämpfen, umso besser.
Es werden aber auch Menschen als Stadtbewohner gebraucht, die mit allem sozialen Gewissen so tüchtig sein können, dass sie die Mittel erwirtschaften, mit denen zum Beispiel ein bedingungsloses Grundeinkommen bezahlt werden kann. Wer davon profitieren will, sollte tunlichst genau hinschauen, welche Bagger er anzündet.
Nichts spricht dagegen, an bestimmten Punkten die Steuern zu erhöhen, um diese in eine soziale Stadtentwicklung zu investieren – wie zum Beispiel in Wien, wo es ein jahrhundertealtes kommunale Solidarsystem gibt, das „Wiener Wohnen“.
Nachdem nun der „soziale“ Wohnungsbau Ländersache ist, könnte Berlin ja durchaus auf der Basis einer Ländergesetzgebung eine kommunale Finanzierungsstruktur nach dem Wiener Vorbild aufbauen. Die Stadt bietet mit ihrer hohen Staatsquote im Grundeigentum und den vielen verfügbaren Bauflächen ideale Voraussetzungen.
Berlin ist keine schrumpfende Stadt, sondern eine wachsende. Insofern müsste Berlin auch keine Stadt der leeren Kassen sein. Leer ist nur die Landeskasse, und das ist kein Zufall, sondern politisch so gewollt.
■ Der Autor ist Atelierbeauftragter im Berliner Künstlerverband BBK und engagiert sich im gemeinnützigen Verein zur Wohnraumbeschaffung Martinswerk