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Archiv-Artikel

Das Spitzenrüsselgefäß

Indische Woche der Wahrheit: Ärger um die diesjährige Buchmessen-Sammeltasse

FRANKFRURT taz ■ Wie nahezu jeder Verein offeriert auch die Frankfurter Buchmesse ihren Besuchern hübsche Andenken. Im Angebot sind die üblichen Taschen, Kappen, Uhren und Schlüsselbänder. Im Jahr 2003 allerdings stand eine Projektgruppe der Buchmesse vor dem Auftrag, den bisher mit mäßigem Erfolg verkauften Handkäs aus hochwertigem Naturkautschuk durch ein attraktiveres Objekt zu ersetzen. Nach langem Überlegen entschied man sich für die Buchmessensammeltasse aus hochwertigem Steingut, da eine Tasse, wie es seinerzeit in einem Diskussionspapier hieß, „global bekannt und einsetzbar sei“, wohingegen der hessische Handkäs „nicht alle Käuferschichten“ erreichen konnte.

Hätte man es damals dabei belassen, die neue „Editio princeps“ jährlich in einer anderen Farbe auf den Markt zu bringen, wäre der Projektgruppe viel Arbeit erspart geblieben. Statt dessen aber beschloss sie im ersten Überschwang, das neue Produkt mit einem hochwertigen Zitat aus dem aktuellen Schwerpunktland zu bedrucken. Bis „Lies, ohne die Augen zu schonen“ (Russland 2003), „… und der beste Gefährte im Lauf der Zeit ist ein Buch“ (Arabische Welt 2004) sowie „Ein Buch ist die beste Nahrung für die Seele“ (Korea 2005) gefunden waren, soll es im Durchschnitt vier Monate unter acht wechselnden Projektgruppenleitern gedauert haben.

In diesem Jahr wurde alles noch viel schwieriger. Der Projektgruppe war selbstverständlich bekannt, dass Inder statt von Tellern immer aus Elefantenfüßen essen, was in einem indischen Service keine klassischen Tassen zulässt, sondern vollkommen andere Trinkgefäße erfordert. Die „originelle Idee“ einer Projektgruppenteilnehmerin, die diesjährige Sammeltasse daher in Form einer Elefantenrüsselspitze anfertigen zu lassen, stieß auf allgemeine Begeisterung. Ein Prototyp entstand in der berühmten Töpferei Frenz im Frankfurter Westend. Gleichzeitig plante man, das Sortiment um eine Mini-Edition zu erweitern, passend zu den traditionellen indischen Kindertellern aus Babyelefantenfüßen. Einen „echten Knaller“ vor Augen, wollte man sich auch das übliche Zitat auf der Tasse sparen. Schließlich, hieß es unisono, sei ein Schriftzug auf grau gesprenkelter Rüsselhaut kaum lesbar. Kurzum: Die Buchmessenelefantensammeltasse wurde in einer Auflage von 50.000 Stück hergestellt und ist seit dem Frühjahr 2006 in einem Messe-Keller eingelagert.

Und dort wird sie wohl auch bleiben. Bedauerlicherweise hatte die Projektgruppe übersehen, dass der Schwager einer Freundin der Tante eines Projektgruppenkollegen Mitglied in der Tierschutzorganisation PETA ist. Und kaum hatte die Wind von der indischen Sammeltasse bekommen, als sich auch schon die ersten Spontandemonstranten vor dem Messeturm einbetonierten und Unterschriften gegen den Tassenverkauf sammelten. Außerdem kam es zu nicht weniger als fünf Elefantenbefreiungen im gesamten Bundesgebiet, darunter allein drei aus einem Zirkus nahe Hochheim.

Es dürfte also kaum verwundern, dass die Buchmessenleitung eiligst zum Rückzug blies und zur Sicherheit wieder auf den bewährten Standard setzt. Die diesjährige Buchmessensammeltasse ist weiß, spülmaschinenfest und trägt den Aufdruck „Ein Buch im Rücken ändert die Lage“. Angeblich irgendetwas Hochwertiges aus dem Kamasutra. CAROLA RÖNNEBURG