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Archiv-Artikel

Zurück auf dem Boden

Die Party von Mönchengladbach ist Vergangenheit – bei der Frauen-WM in Madrid präsentiert sich Hockey als traurige Randsportart vor leeren Rängen. Olympiasieger Deutschland kann in einem schwachen Turnier nicht mithalten

AUS MADRID CLAUDIA KLATT

„Dies ist nicht unser Turnier“, resümierte Stürmerin Natascha Keller nach dem England-Spiel am Dienstag, das die deutsche Mannschaft 0:1 verlor. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich die Berlinerin noch voller Hoffnung auf einen guten Ausgang der Hockey-WM in Madrid. Doch als die Spanierinnen im folgenden Spiel zu Beginn der zweiten Halbzeit eine 3:1-Führung gegen die bisher noch sieglosen Inderinnen herausgeschossen hatten, sanken die letzten Hoffnungen dahin.

„Ärger, Enttäuschung und Frust“, so beschrieb Mittelfeldregisseurin Fanny Rinne die Gefühle unmittelbar nach der zweiten deutschen Niederlage, „aber vor allem auch Enttäuschung über uns selbst.“ Da war auch das mäßige 0:0 gegen Holland nicht mehr ausschlaggebend, der Zug Richtung Halbfinale war längst abgefahren. Keine zwei Wochen nach dem Spektakel von Mönchengladbach und dem Sieg des deutschen Männerteams ist das deutsche Hockey wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt: Das Frauenteam, in Athen noch Olympiasieger, kämpft nur noch um die Plätze fünf bis acht.

Markus Weise konnte nach dem 0:1 gegen England mit seinen Spielerinnen nicht einmal hadern: „Man kann das schon mit dem Spanien-Spiel vergleichen. Wir haben beide Male versucht, konstruktiv zu spielen, aber beide Male konnten wir eine solide Verteidigung nicht schlagen.“ Das Tor im England-Spiel fiel durch einen Siebenmeter, der nach einer Ecke entstand, der Ball soll sogar einen englischen Fuß vorher berührt haben. Weise ist überzeugt, dass England sonst nicht getroffen hätte. Anhand falscher Schiedsrichterentscheidungen erläutert er seine Sorgen, die Zukunft des Hockeysports betreffend.

Das stets um die Erhaltung des olympischen Status bemühte Hockey habe sich zu einem „progressiven, interessanten Sport“ gewandelt, lobte der bei der Männer-WM in Mönchengladbach anwesende IOC-Präsident Jacques Rogge. Die Aufhebung des Abseits und das Interchanging der Spieler sind nur einige der ständigen Regeländerungen, die den Sport schneller und attraktiver, vor allem aber fernsehgerechter machen sollten. Doch Änderungen in der Regelauslegung sorgen für Konfusion bei den Schiedsrichterinnen und sind nach Meinung Weises längst nicht mehr der Garant für interessante, torreiche Spiele, wie einst von den Verbandsgremien beabsichtigt. Die Unparteiischen seinen vielmehr ausnahmslos überfordert.

„Es gibt keinen Spielfluss mehr,“ stellt Weise fest, „und viele kleine Fouls gehen einfach durch.“ Weise glaubt, dass in diesem Turnier mindestens drei schwere Verletzungen aus solchen Situationen resultierten. Die Deutschen verloren auf diese Weise Rekordnationalspielerin Nadine Ernsting-Krienke gleich am ersten Tag mit Fingerbruch. „Das Spiel wird härter, aber es kann nicht das Ziel sein, dass wir noch mehr Schutzkleidung anlegen, dann wird das hier zum Football“, zeigt sich Weise höchst alarmiert.

Auch wenn man sich das WM-Umfeld in Madrid betrachtet, wird man sich fragen, wohin sich der Hockeysport bewegt. Auf der weitläufigen, weit vor den Toren Madrids gelegenen Anlage vom Club de Campo verlieren sich allerhöchstens einmal 1.200 Zuschauer – und das auch nur, wenn Spanien spielt. Die Spiele werden zwar im Fernsehen übertragen, doch die gefürchteten leeren Zuschauerränge sind nicht zu übersehen. Nichts erinnert an die Hockeyparty von Mönchengladbach mit regelmäßig bis zu 12.000 Zuschauern.

Auch das Niveau sei nicht allzu hoch. Niedriger jedenfalls als in Holland bei der Champions Trophy, findet Ausnahmespielerin Natascha Keller. Dennoch habe man sich unglaublich schwergetan. „Es ist fast nicht zu glauben, wie leicht es hier ist, Weltmeister zu werden“, urteilte sie. Zu schwer allerdings für die Deutschen. „Jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, die nächsten Spiele zu gewinnen“, urteilt Fanny Rinne. Immerhin geht es noch um Sportfördergelder und Weltranglistenpunkte.