berliner szenen Spätsommer im Café

Reich und schön

Ein letzter, milder Spätsommernachmittag. Ich sitze mit meinem Bruder in einem Straßencafé in Mitte. Direkt vor uns parkt ein weißes BMW-Cabrio. Mann und Frau, beide in ihren Dreißigern, gut aussehend, top gestylt, steigen ein. Allerdings nicht, um davonzufahren, sondern um in der Sonne zu sitzen, zu rauchen und sich von den Café-Gästen bestaunen zu las- sen. Was offensichtlich funktioniert: Immer wieder wandern sehnsüchtige Blicke zu ihnen hinüber.

Die Blicke werden noch neidvoller, als eine junge, attraktive Frau aus einem Hauseingang kommt, das Cabrio sieht und brüllt: „Hola, Carlos! Wie geht’s? Bist du morgen Abend zu Hause?“ Carlos, sich geschmeidig auf dem Beifahrersitz räkelnd, antwortet träge: „Weiß nicht. Ruf mich doch einfach an.“ – Woraufhin das Mädchen wieder im Haus verschwindet. „Gar nicht so schlecht, reich und schön zu sein“, kommentiert mein Bruder die Szene. Ich nicke.

Dann geht alles sehr schnell: Ein unauffälliger Mann um die 60 hebt beim Verlassen des Cafés in einer überraschenden Volte eine Zigarette auf, die die Cabrio-Frau soeben lässig auf den Asphalt geschnippt hat, wirft sie kommentarlos ins Wageninnere und geht weiter. Panisch und unter den gebannten Blicken der Gäste versuchen die beiden Schönen, die Kippe zu finden, bevor sie ein riesiges Loch in die Ledersitze brennen kann. Immer hektischer wird die Suche, immer angstverzerrter die Gesichter – doch der Stummel bleibt verschwunden. Nach einer gefühlten Ewigkeit gelingt es ihnen schließlich, die Gefahr zu bannen. Dann heult der Motor des BMW auf. Ohne auch nur ein Wort über das Geschehene zu verlieren, brausen die beiden davon. ANDREAS RESCH