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Archiv-Artikel

„Wir sind unabhängig“

JUBILÄUM Das politische Bildungswerk „Umdenken“ feiert seinen 30. Geburtstag. Ein Grund zum Feiern, aber keiner, um die Füße hochzulegen, denn Themen gibt’s genug

Karin Heuer

■ 59, arbeitet seit 1993 für „Umdenken“ als Referentin. Sie ist zuständig für den Bereich Bildung, für nachhaltige Entwicklung und zusätzlich seit 2002 für die Geschäftsführung. Davor war sie als landwirtschaftlich-technische Assistentin im Bereich Meeresforschung und Umweltschutztechnik tätig. In der Bundestagsfraktion der Grünen war sie von 1987 bis 1989.

INTERVIEW BIRK GRÜLING

taz: Frau Heuer, was sind die Arbeitsschwerpunkte des politischen Bildungswerks „Umdenken“?

Karin Heuer: Wir machen politische Erwachsenenbildung und sind als „Umdenken Heinrich-Böll-Stiftung Hbg. e.V.“ dabei das grüne Pendant zur Friedrich-Ebert- oder Konrad-Adenauer-Stiftung. Uns gibt es seit 1984 in Hamburg. Unsere traditionellen Arbeitsschwerpunkte sind Nachhaltigkeit, Geschlechterdemokratie und Integration beziehungsweise Inklusion. Außerdem arbeiten wir auch zu aktuellen Themen in Hamburg wie zum Beispiel zur Stadtentwicklung.

Was machen „Umdenken“-Fortbildungen und Veranstaltungen aus?

Einerseits bieten wir klassische berufliche Fortbildungen an, zum Beispiel zum Thema Rhetorik oder Öffentlichkeitsarbeit. Anderseits nehmen viele unserer Veranstaltungen Bezug auf aktuelle Themen wie den Klimawandel oder die Transition-Town-Bewegung. Wir haben uns auch mit den Lampedusa-Flüchtlingen getroffen und Informationsveranstaltungen zum ökologischen Zustand der Meere organisiert. Diese Themen besetzen in Hamburg von den Bildungsträgern vor allem wir.

Welches Klientel kommt zu Ihren Veranstaltungen?

Eine typische BesucherIn gibt es zum Glück nicht. Wir bieten viele Seminare zielgruppenspezifisch an und stellen uns bewusst breit auf. Es gibt Seminare nur für Jugendliche oder spezielle Angebote für Migranten. Zu den allgemeineren Veranstaltungen wie dem „Grünen Salon“ kommen allerdings mehr Frauen als Männer. Der Altersschwerpunkt liegt dabei zwischen 40 und 60 Jahren.

Wie nah steht „Umdenken“ den Grünen als Partei?

Laut eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts müssen die politischen Stiftungen „so parteifern wie möglich und so parteinah wie nötig“ sein. Sie dürfen beispielsweise keinen Wahlkampf machen oder Publikationen der Partei auslegen. Natürlich gestalten wir unsere Seminare entlang grüner Themen wie Nachhaltigkeit oder Migration und stehen auch mit den Hamburger Grünen und der Bundespartei in engem Austausch. Trotzdem sind wir unabhängig von der Parteipolitik und können Themen entsprechend frei setzen. Es gibt auch keine Gelder oder direkte Bildungsaufträge von der Partei und damit wenig Möglichkeiten der Einflussnahme. Zu unseren Veranstaltungen kommen genau deshalb auch Grünen-kritische Menschen, weil sie wissen, dass wir keinen Wahlkampf machen.

Kommen wir mal zum 30. Geburtstag von „Umdenken“. Wie hat sich Ihr Profil in den letzten 30 Jahren entwickelt?

1984 wurde „Umdenken“ als „Verein für Arbeit, Umwelt und Kultur“ gegründet. Unsere damaligen Themen waren klar geprägt von den Debatten der Zeit wie Anti-Atomkraft oder das Streben nach Gleichberechtigung. Auf diesen Feldern hat sich in den letzten 30 Jahren viel getan, trotzdem sind sie immer präsent. Im Laufe der Jahre kam der internationale Schwerpunkt mit zahlreichen Bildungsreisen dazu. Wir fahren in die Partnerstädte Hamburgs wie Leon in Nicaragua oder in Dar es Salaam in Tansania. Seit 2001 gibt es das Format des „Grünen Salon“ mit Diskussionsrunden zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen.

Der 50. Grüne Salon in der letzten Woche hatte das Thema „30 Jahre Bildung, Bewegung, Politik – Was hat’s gebracht?“. Haben Sie darauf eine Antwort?

Die Welt hat sich in den letzten 30 Jahren stark gewandelt, vor allem in den Bereichen Umwelt oder Gender. Trotzdem ist und bleibt Bildungsarbeit wichtig. Es gibt genug Themen, die wir aufgreifen wollen. Beispiele dafür sind der Klimawandel und seine Folgen, die der aktuelle Klimabericht wieder einmal deutlich gemacht hat, oder die globalen Flüchtlingsströme. Bei uns im Norden spielt die Ausbeutung der Meere eine große Rolle. Zu all diesen Themen wird politisch noch viel zu wenig in die richtige Richtung gearbeitet.

Welchen Beitrag kann Ihre Arbeit da leisten?

Wir machen keine Politik, sondern Bildungsarbeit. Wir haben also keinen direkten Einfluss auf die Umsetzung oder politische Prozesse. Wir können nur Menschen anregen, intensiv über diese Themen nachzudenken – manchmal nur für einen Abend und manchmal auch für ein mehrtägiges Seminar. Die Auseinandersetzung ist dabei oft intensiver als beim Ansehen einer Dokumentation oder dem Lesen eines Zeitungsartikels.