: Die Bibliotheken der Dinge
PROJEKT Ein gemeinschaftlicher Verleih in Berlin-Prenzlauer Berg fördert allgemeines Umdenken
„Statt nutzlos besitzen lieber besitzlos nutzen“, so bringt Nikolai Wolfert, Gründer des Leila, die Maxime der ersten Berliner Bibliothek der Dinge auf den Punkt. Dass Leute sich hier nicht bloß nutzlosen Krempels entledigen und ihr Gewissen erleichtern, verrät ein Blick auf das Sortiment. Hier wird von der Bohrmaschine bis zum Fliesenschneider so ziemlich alles verliehen, was sich eines bisweilen intensiven, doch oftmals eher punktuellen Gebrauchs erfreut.
Es gibt genug spezialisierte Verleihstationen, etwa für Werkzeug, nicht jedoch gesammelt für verschiedenste Dinge, die man mal braucht – bis hin zu Brettspielen. In diese Lücke stößt das Projekt Leila in Prenzlauer Berg und versteht sich dabei als Umsetzung einer auch als Décroissance (Wachstumsrücknahme) bekannten politisch-gesellschaftlichen Strömung. Diese propagiert, der kapitalistischen Wachstumslogik ein nachhaltiges Kreislaufsystem entgegenzusetzen: teilen, leihen oder recyceln statt herstellen, kaufen und wegwerfen.
Beim Borgen teurerer Gerätschaften muss im Leila ein Pfand hinterlegt werden, das Ausleihen der meisten Geräte ist jedoch kostenlos. Saatgut oder Dübel werden sogar verschenkt. So verwundert es nicht, dass Leila ein Projekt der Transition Town Pankow ist, eines alternativen Wohn- und Lebensprojekts. Gemeinsam lässt sich mehr ausrichten – das wird hier auch gelebt, und so finanziert sich die Initiative ausschließlich aus Spenden und frei zu bestimmenden Beiträgen. Die Zahl der Mitglieder stieg bereits von rund 100 Ende 2012 auf nunmehr 500 an. Davon sind ungefähr zehn Prozent aktive Unterstützer. Die Öffnungszeiten variieren noch zwischen drei und vier Stunden an vier Tagen die Woche, doch man hegt weitere Pläne. Geplant ist zum Beispiel eine Recyclingstation für defekte Elektrogeräte.
Ähnliche Projekte wie das Leila finden sich auch außerhalb von Berlin. In Würzburg existiert ein vergleichbares Verleihkonzept seit Anfang 2012: der Umsonstladen, der auch eine Fahrradwerkstatt betreut und sich ganz aus Spenden finanziert. Ende Mai eröffnet ein Leila im 16. Bezirk in Wien, der außerdem mit einem Reparatur- und Nähcafé sowie einer Initiative der Caritas aufwarten will.
Zurück im Berliner Leila, bemerkt der aufmerksame Beobachter dann doch noch den einen oder anderen obskuren Hausrat: eine schwarze Perücke, ein 20 mal 20 Zentimeter großes Kunstwerk namens „Space Invaders“ und ein Guinness-Buch der Rekorde von 1999 – der Nachmittag wäre also gerettet. Bald hoffentlich dann auch die Welt.
MORITZ HOLLER