CDU akzeptiert Menschenrechte

Drei Monate, nachdem die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln für menschenrechtswidrig erklärt wurde, erklärt sich auch das CDU-Innenressort bereit, auf diese Maßnahme endgültig zu verzichten

von Armin Simon

Es wäre eine peinliche Debatte geworden, ohne Zweifel: Drei Monate ist es her, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln wegen der Risiken für menschenrechtswidrig erklärt hat – unter Verweis auf die beiden Todesfälle von Hamburg und Bremen. Und auf der Tagesordnung der Bremischen Bürgerschaft für nächste Woche steht ein Antrag der Grünen: Der Senat möge „diese Praxis endgültig beenden“. Insbesondere der CDU dürfte da nicht sonderlich wohl gewesen sein.

Denn von einem „endgültigen Beenden“ der Praxis, Verdächtigen zwangsweise eine Magensonde zu legen, ihnen Brechmittel und Wasser in den Magen zu pumpen, um ein Erbrechen eventuell verschluckter Drogenpäckchen herbeizuführen, war bis dato in Bremens Großer Koalition keine Rede gewesen. Im Gegenteil. Gegen einen entsprechenden Vorstoß der SPD, gleich nach dem Tod des Schwarzafrikaners Laya Condé im Polizeigewahrsam Anfang Januar 2005, legte die CDU ihr ausdrückliches Veto ein. Ihr innenpolitischer Sprecher Rolf Herderhorst bezeichnete das Magensonden-Verfahren noch im Mai diesen Jahres ausdrücklich als „rechtskonform“. Man habe es lediglich bis auf Weiteres „ausgesetzt“.

Nun hat die CDU ihre Meinung geändert. Es könne „keinen Zweifel daran geben, dass die Exkorporation unter Zwang endgültig – und nicht nur vorübergehend – ausgesetzt ist“, schrieb SPD-Justizstaatsrat Ulrich Mäurer dem CDU-geführten Innenressort. Schließlich habe man bereits am 1. März 2005 einen Erlass verabschiedet, der den freiwilligen Einsatz von Brechmitteln oder alternativ der Drogentoilette vorsehe – und der „unbefristet“ gelte. Das Innenressort bestätigte: Die Behauptung der Grünen, die zwangsweise Brechmittelvergabe sei nur vorübergehend ausgesetzt, „geht ins Leere“.

SPD-Justizexperte Wolfgang Grotheer sprach gestern von einer „viel zu späten Einsicht“ des Koalitionspartners. Das CDU-Innenressort hätte den Verzicht auf die gefährliche Maßnahme „schon lange eindeutig erklären müssen“. Die Grünen verlangten ein eindeutiges Nein des Parlaments zur zwangsweisen Brechmittelvergabe.

Die CDU winkte ab. Die Grünen könnten ihren Antrag „zurückziehen“, sagte Herderhorst, „die Sache ist erledigt“ – zumindest seit dem Straßburger Urteil: „Wenn es da keinen Richterspruch gegeben hätte, dann hätte man das unter Umständen nochmal neu aufgerollt.“