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Archiv-Artikel

„Wir haben auf jeden Fall hysterisch reagiert“

Hafez Mohamed Hafez, Leiter des Instituts für Geflügelkrankheiten an der FU, sieht derzeit kaum Gefahren für eine neue Vogelgrippe-Epidemie, warnt aber vor Gleichgültigkeit. Tote Vögel können wieder vom Himmel runterfallen

Von GEL

taz: Herr Hafez, müssen wir mit einem erneuten Ausbruch der Vogelgrippe rechnen?

Hafez Mohamed Hafez: Man sollte damit immer rechnen, wobei das Risiko im Moment nicht so hoch eingeschätzt wird. Wenn aber mehr Zugvögel kommen, kann es natürlich durchaus sein, dass die Vogelgrippe wieder eingeschleppt wird.

Fühlt sich das Vogelgrippevirus H5N1 bei den nun sinkenden Temperaturen wohl?

Ja. Das hängt zwar noch von anderen Faktoren ab, etwa von der Beschaffenheit des kontaminierten Materials, aber grundsätzlich gilt: Je niedriger die Temperatur, desto länger überlebt das Virus. Wenn es nun kälter wird, kann das Virus bis zu 120 Tagen überleben, während es im Sommer bei 20 oder 30 Grad sehr schnell abstirbt.

In Berlin gab es nur einen Vogelgrippefall: ein toter Mäusebussard. Ist die Gefahr in der Stadt geringer als auf dem Land?

Das kann man aufgrund der Beobachtungen der vergangenen Monate schon sagen. Es liegt vor allem daran, dass wir hier weniger Rastplätze für Wildvögel und weniger Nutzgeflügel haben als auf dem Land. Wenn es in Berlin noch mal zu einem Vogelgrippefall kommen sollte, dann wohl wieder mit einem Wildvogel.

Wie kam die Vogelgrippe nach Berlin?

Das wissen wir nicht. In erster Linie sind Wasservögel – Schwäne, Wildgänse und -enten – für das Vogelgrippevirus H5N1 empfänglich. Nun denken Sie an die ganzen toten Schwäne auf Rügen: Da fliegt ein Greifvogel, also ein Aasfresser, über die Insel, pickt an einem toten Tier, fliegt nach Berlin und fällt vom Himmel.

Was ist mit dem typischen Stadtvogel, der Taube?

Bei der Verbreitung der aviären Influenza, sprich der Vogelgrippe, spielt die Taube bislang kaum eine Rolle. Sie stellt ein relativ geringes Risiko dar.

Vor einem Jahr war die Vogelgrippe das Thema. Heute spricht kaum noch jemand davon. Warum ist es zurzeit so ruhig in puncto Vogelgrippe?

Wir hatten in den vergangenen Monaten einfach nicht mehr so viele Fälle, zumindest nicht in Europa. Das kann sich aber, wie gesagt, in den nächsten Monaten wieder ändern.

Rückblickend betrachtet: Waren wir hysterisch oder sind wir jetzt fahrlässig?

Wir haben auf jeden Fall hysterisch reagiert. Es wäre aber fatal, wenn wir das Problem aus den Augen verlieren würden. Wir müssen die Situation weiter nüchtern beobachten, insbesondere, ob das Virus seine Eigenschaften ändert und in erster Linie verhindern, dass das Virus auf Wirtschaftsgeflügel übergreift. Die meisten der weltweit etwa 145 Todesfälle waren im ostasiatischen Raum zu beklagen, wo das H5N1-Virus seit 1997 bekannt ist. Dort leben 30 Prozent der Weltbevölkerung. In Anbetracht dieser Relationen war die Aufregung um die Vogelgrippe zwar berechtigt, aber völlig überzogen. INTERVIEW: GEL