: „Wir mussten einige Kröten schlucken“
Der SPD-Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler fordert eine internationale Lösung bei der Flugsicherheit
taz: Herr Kreissl-Dörfler, sind Sie mit dem neuen Passagierdaten-Abkommen zwischen EU und USA zufrieden?
Wolfgang Kreissl-Dörfler: Das Abkommen hat positive und negative Seiten. Ein Vorteil: Es gilt nur bis Ende Juli nächsten Jahres. Das gibt dem Rat die Chance, in der nächsten Runde bessere Bedingungen auszuhandeln. Im kommenden Halbjahr führt Deutschland den Ratsvorsitz. Von der Bundesregierung erwarte ich, dass sie den Datenschutz ganz oben auf die Tagesordnung setzt. Mittelfristig brauchen wir eine internationale Lösung. Die Sicherheit im Flugverkehr ist kein Problem von einzelnen Staaten, sondern eine Aufgabe der internationalen Gemeinschaft.
Und die negativen Aspekte?
Bisher wurden die Daten nur an die Zoll- und Grenzschutzbehörden in den USA übermittelt. Nun fungiert das Ministerium für Heimatschutz als Verteiler. Sie kann die Daten an andere Agenturen wie das FBI weiter-geben. Da wird vernetzt und verlinkt, ohne dass wir den Überblick behalten, was mit den Daten geschieht. Wenn ich mit einer Maschine fliege, in der ein Terrorverdächtiger sitzt, wenn ich gar noch neben ihm sitze, vielleicht ein paar Worte mit ihm wechsle, gerate ich ja automatisch unter Generalverdacht. Völlig unklar ist, wie ich erreichen kann, dass meine Daten aus einer Verdachtskartei wieder gelöscht werden.
Für die Amerikaner hat der Terrorkampf Vorrang gegenüber dem Datenschutz.
Da sollte man gelegentlich daran erinnern, dass Totalüberwachung auch nicht das Allheilmittel ist. Die Todespiloten des 11. September sind in den USA gestartet, nicht in Europa.
Hätte die europäische Seite denn noch Verhandlungsspielraum gehabt?
Es mussten sicher einige Kröten geschluckt werden. Aber die Abkommen mit Australien und Kanada sind eine gute Vorlage dafür, wie die Sicherheitsinteressen eines Landes befriedigt werden können, ohne dass unsere Maßstäbe für Datenschutz verletzt werden.
Wo werden denn unsere Maßstäbe verletzt?
Die Frage nach den Essgewohnheiten zum Beispiel ist völlig übertrieben. Welche Rückschlüsse soll das ermöglichen? Wenn ich eine Maschine in die Luft jagen will, dann denke ich doch vorher nicht darüber nach, ob ich Schweinefleisch essen darf oder nicht. Dann ist mir der Appetit doch ohnehin vergangen. INTERVIEW:
DANIELA WEINGÄRTNER