34 Daten pro Fluggast

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Als „sehr gute Nachricht“ hat Innenkommissar Franco Frattini das neue Abkommen zwischen den USA und der EU über die Weitergabe von Passagierdaten bezeichnet. Die Kommission ist stolz darauf, den Amerikanern einen Systemwechsel abgetrotzt zu haben. Bislang hatten die Zoll- und Grenzschutzbehörden per Passwort direkten Zugriff auf die internen Datenbanken der Fluggesellschaften. Nun müssen die Airlines die Daten anliefern. Vor allem das Europaparlament hatte auf dieser Änderung bestanden.

„Aus unserer Sicht ändert sich gar nichts“, erklärte Lufthansa-Sprecher Thomas Jachnow der taz. So oder so hätten die amerikanischen Behörden nur Zugriff auf Informationen, die der Kunde gebe, um eine reibungslose Reise zu gewährleisten. Sollte ein Rollstuhl nötig sein oder vegetarische Kost gewünscht werden, würden diese Daten eben weitergeleitet. Immerhin sei für die Fluggesellschaften nun die Rechtsunsicherheit beendet.

Sie war entstanden, weil die EU-Kommission ein erstes Abkommen auf falscher Rechtsgrundlage ausgehandelt hatte, das vom Europäischen Gerichtshof kassiert worden war. Zum 1. Oktober hätte eigentlich der neue Text fertig sein müssen. Doch die Verhandlungen kamen ins Stocken, weil die US-Partner in ihren Forderungen über das hinausgingen, was im ersten Abkommen vereinbart worden war.

Als EU-Verhandlungsführer Jonathan Faull gestern nach einer neunstündigen Video-Konferenz die Ergebnisse vorstellte, war ihm die Anstrengung anzumerken. „Seit Abschluss des letzten Abkommens hat sich in den USA die Rechtslage geändert. Das Ministerium für Heimatschutz ist nun verpflichtet, seine Informationen mit allen anderen Agenturen zu teilen. Unser Mandat sah aber vor, dass wir die alten Absprachen exakt übernehmen sollen. Das war unmöglich zu erreichen.“

Die Europäer mussten hinnehmen, dass künftig noch weniger klar ist, in wessen Hände Informationen der Fluggesellschaften wie Kreditkarten-nummern oder die Heimatadresse geraten. Denn das Heimatschutzministerium muss sie auf Anfrage an FBI oder CIA weiterleiten. Deshalb steht die EU-Kommission mit ihrer positiven Bewertung des Ergebnisses ziemlich allein da. Der liberale EU-Abgeordnete Alexander Alvaro zeigte sich gegenüber der taz „überhaupt nicht zufrieden“. Die Mitgliedstaaten hätten sich gegenüber den USA auseinanderdividieren lassen. „Der Bürger hat keine Möglichkeit, verletzte Persönlichkeitsrechte einzuklagen.“

Im kommenden Jahr soll ein neues Abkommen ausgehandelt werden. Deutsche EU-Parlamentarier fordern von der Bundesregierung als künftige Ratspräsidentschaft, europäische Datenschutz-Standard entschlossener gegenüber den amerikanischen Vertragspartnern zu vertreten. Anfang September verlangte das EU-Parlament in einer Entschließung, in dem neuen Abkommen Luftsicherheit und die Achtung der Menschenrechte besser gegeneinander abzuwägen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Daten nur für Ermittlungen gegen Terrorverdächtige eingesetzt werden. Das Parlament müsse bei dem neuen Abkommen unbedingt ein Mitspracherecht bekommen.

Die EU-Kommission denkt derweil schon laut darüber nach, ob das amerikanische Modell nicht auch für die EU tauglich wäre. „Wir arbeiten an einem Vorschlag für ein europäisches Passagierdaten-Abkommen“, erklärte Jonathan Faull gestern. „Europäische Kunden sollen bei ihren Flügen wissen, dass ihre Sicherheit von Behörden geschützt wird, die gegen Terrorismus kämpfen und das Recht durchsetzen.“ Ein Trost bleibt den gläsernen Passagieren immerhin: Die EU will eine neue Agentur für Grundrechte gründen. Dort kann dann jeder versuchen, sich das Recht auf seine Privatsphäre zurückzuholen.