: Drei Ecken – ein Icke
Thomas Häßler ist wieder in Köln. Der Weltmeister soll dem Nachwuchs zeigen, wie man Eckbälle und Freistöße in Tore verwandelt. Ein Plattenlabel betreibt er auch noch – nicht wirklich erfolgreich
VON HOLGER PAULER
Kölns Nachwuchskicker jubeln: Thomas Häßler ist zurück. Der Weltmeister von 1990 soll der Jugend des 1. FC Köln das Kicken beibringen. Morgen will der Zweitligist den ehemaligen Kölner Bundesligaspieler als Technik-Trainer vorstellen – auf besonderen Wunsch von Trainer Hanspeter Latour: „Ecken, Freistöße und Fernschüsse sind in der Zweiten Liga Mittel, mit denen man enge Spiele gewinnen kann. Dazu bedarf es besonderer technischer Fähigkeiten. Ich denke, Thomas Häßler kann da an unsere Spieler einiges weitergeben.“ Doch wo haben Overath und Co ihren „Icke“ aufgespürt?
„Ich kann Ihnen da keine Hoffnung machen“, heißt es auf eine Anfrage bei Häßlers Plattenlabel MTM. Nicht mal zur WM habe sich Häßler gemeldet, sagt MTM-Geschäftsführer Mario Lehmann. „Dabei hätte es doch so gute Marketingmöglichkeiten gegeben.“ Anfragen liefen jedoch ins Leere, lediglich der Name des ehemaligen Fußballprofis – Das „T“ im Label-Logo steht für Thomas – sei noch mit dem Label verbunden. „Ich bin einfach enttäuscht“, so Lehmann.
Häßler hatte das Label 1996 in München ins Leben gerufen, um seiner musikalischen Sammelleidenschaft eine geschäftliche Basis zu geben. Doch seitdem herrscht Funkstille zwischen Häßler und dem Unternehmen. Die Bands „Biloxi“, „Edge Of Forever“ oder „Human Temple“ müssen ohne weltmeisterliche Hilfe auskommen. Der Hard- und Melodic-Rock wird den Independent-Status wohl nie verlassen. Hoffentlich wissen das die Verantwortlichen des FC nicht.
Alles dürfte Häßler jedenfalls nicht verlernt haben – auch wenn er vor zwei Jahren seine Karriere in der österreichischen Operettenliga beim SV Salzburg beendete. Er wird sich an die großen Zeiten erinnern, wie auch seine Fans: „Seine Freistöße – kunstvoll. Seine Flanken – brandgefährlich. Sein Ballgefühl – unvergleichlich“, titelte Bild als Häßlers Comeback beim 1. FC Köln bekannt wurde. Hier schließt sich der Kreis.
Zur Saison 1984/85 wechselte Häßler nach Köln. Der Berliner folgte seinem Vorbild Pierre Littbarski. Fünf Jahre spielten sie dort gemeinsam. Am erfolgreichsten unter Christoph Daum. „Thomas Heesler“ (Daum) war ihm in einem DFB-Jugendlager aufgefallen. Daum erlöste ihn von den Reinickendorfer Füchsen und der Schule. Thomas Häßler war dankbar: „In der Schule gab‘s für mich Höhen und Tiefen. Die Höhen waren der Fußball.“ Ab jetzt für immer: In Köln und in der Nationalelf.
Wie damals 1989 im maueroffenen November. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Italien schien reine Formsache: „Drum nichts wie hin, hinter uns liegt der Inn und vor uns liegt der Po. Die Welt spielt sich frei und auch wir sind dabei, hollahi hollaho.“ Der WM-Song „Wir sind schon auf dem Brenner“, gesungen von Udo Jürgens und der Nationalmannschaft war bereits im Kasten und sollte im Januar 1990 beim „ARD-Wunschkonzert“ mit Dagmar Berghoff und Max Schautzer vorgestellt werden. Doch zur erfolgreichen Premiere fehlten noch zwei Punkte. Und die sollten am 15. November gegen Wales eingefahren werden. Nachdem Rudi Völler die Führung der Gäste ausgeglichen hatte, war es Thomas Häßler, der in der 48. Minute Richtung Brenner abbog: Mit einem Volleyschuss erzielte er das 2:1. „Ich habe erst nachher erfahren, dass Franz Beckenbauer mich wegen dieses Tores bei der WM hat spielen lassen“, glaubte Häßler hinterher. Und weil die WM und Italien so schön waren, blieb Häßler gleich dort. Ein Jahr Juventus Turin und drei Jahre AS Rom.
Das Comeback in der Bundesliga zur Saison 1994/95 war eher durchwachsen bis zäh. Vier Jahre Karlsruher SC, ein schwieriges Jahr bei Borussia Dortmund – dort hatten sie ihm „die Freude am Fußball genommen“ – und vier Jahre 1860 München versprühten keinen allzu großen Glanz. Dann das Karriereende in Österreich.
Und nun? Lukas Podolski wird von Häßlers Künsten nicht mehr profitieren können – der Kölner Nachwuchskicker wechselte im Sommer nach München zu den Bayern. Doch irgendwie hofft man beim FC auf eine Fortsetzung. Schafft ein, zwei drei ganz viele Podolskis.
Vielleicht zahlt sich das Engagement ja doppelt aus. Häßlers Berater Ronny Zeller verkündet, dass sein Schützling auf einen Posten im Stab von Bundestrainer Jogi Löw hoffe. Das Thema sei „noch nicht vom Tisch“, sagte Zeller. Die Schwäche der Nationalmannschaft bei den Standards sei ja bekannt. Podolski kann also doch noch hoffen... Und was wird aus dem musikalischen Nachwuchs?