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Archiv-Artikel

Piotr Trochowski Der Häßler von Hamburg

Samstagabend war es, als ein Teil verblassten Hamburger Glanzes zurückgekehrte. Unter den Augen Uwe Seelers, der personifizierten HSV-Geschichte, gab Piotr Trochowski 76 Minuten lang sein Debüt im deutschen Fußball-Nationalteam. Wie beim HSV durfte der 22-Jährige auf seiner Lieblingsposition hinter den Spitzen auflaufen – und führte sich gut ein. Nicht nur Bundestrainer Jogi Löw war mit dem Hamburger zufrieden, sondern auch dieser selbst: „Das war ein super Erlebnis.“

Die Berufung des 1,68 kleinen Dribblers kam für die wenigsten Experten überraschend. Hatten ihm doch in Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die Paten des deutschen Fußballs, eine große Karriere vorausgesagt. Weil er beidfüßig schießen und sich in kritischen Situationen auf seine überragende Technik verlassen kann.

Trochowski, das hat sein ehemaliger Trainer bei den Bayern-Amateuren, Hermann Gerland, gesagt, ist ein Typ wie Thomas Häßler. Einer der letzten waschechten Straßenfußballer. Sein Spiel ist geprägt von Risiko und Extravaganz. Einer noch steileren Karriere in Deutschlands höchster Spielklasse haben die Haken und Hackentricks jedoch eher im Weg gestanden. Bei den Bayern konnte sich der Sohn polnischer Einwanderer nie in der ersten Mannschaft etablieren.

Obwohl sie ihn in München trotzdem gern gehalten hätten, entschied sich Trochowski für einen Vereinswechsel. HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer brauchte wenig Überredungskunst, um den kleinen Spielmacher, der das Fußballspielen bei Concordia Hamburg gelernt hatte und 1999 vom FC St. Pauli nach München gegangen war, von einem Wechsel an die Elbe zu überzeugen.

Im vertrauten Umfeld des HSV blühte Trochowski auf und ist mittlerweile zu einer unumstrittenen Stammkraft avanciert. In Abwesenheit des etatmäßigen Spielmachers Rafael van der Vaart lastet die Verantwortung im Kreativbereich zur Zeit allein auf seinen Schultern. Dabei sorgt er, zumindest zeitweilig, dafür, dass es in der AOL-Arena nicht nur glänzt, wenn sich in den Augen Uwe Seelers vergangene Erfolge spiegeln. LUKAS VOGELSANG