: Und Schweini mittendrin
„Verantwortung und Chance“: Beim 2:0-Sieg Deutschlands im Freundschaftsspiel gegen die Auswahl Georgiens dürfen die Altvordern im DFB-Team gerne auch mal nur 22 Jahre alt sein
AUS ROSTOCKANDREAS RÜTTENAUER
Es wird ernst für Bastian Schweinsteiger. Gerade einmal 22 Jahre ist er alt. Und schon bekommt er zu spüren, was von einem Fußballer erwartet wird, der im Mittelfeld mehr macht als nur mitspielen. Für den jungen Mann ist die Rolle eines Führungsspielers vorgesehen. Nach dem 2:0-Sieg gegen Georgien wurde er als Juniorchef hinter Michael Ballack präsentiert. Er will die Rolle annehmen, sagte er, während der Partie, davor und danach. „Wenn wir immer gewinnen, dann macht das sowieso Spaß“, meinte der Bayer am späten Samstagabend in Rostock, „aber auch wenn man verliert, muss man dann halt dazu stehen.“
Überfordert scheint er mit der Chefrolle nicht zu sein. Im Spiel war Schweinsteiger einer der auffälligsten Akteure. Das 1:0 (24.) besorgte er mit einem fulminanten Distanzschuss selbst, das 2:0 (67.) legte er für Michael Ballack auf. Immer wieder schlug er gefährliche Flanken, gelangen ihm präzise Pässe in die Spitze. Doch sein eigentliches Meisterstück lieferte er nach dem Schlusspfiff ab. Da wurde er zunächst auf die Rolle des Poldikumpels Schweini reduziert. Er sollte sagen, was er über den Platzverweis seines Freundes denke. Gerechnet hatten die Fragesteller wohl mit einem bedauernden „Tut mir leid für ihn“ und „Kann ja mal passieren“. Gehofft hatten sie vielleicht auch auf einen originellen Spruch. Nichts dergleichen. Schweinsteiger ordnete für den Fall Podolski, der nach einem bösen Tritt gegen das Scheinbein seines Gegenspielers (48.) die Rote Karte gezeigt bekam, einen großen fußballerischen Zusammenhang ein. „Es wird viel provoziert auf dem Fußballplatz. Das passiert ja nicht zum ersten Mal. Die Leute, die provozieren, sollten dann auch hart bestraft werden. Es wird immer schlimmer auf dem Platz. Manchmal muss man versuchen wegzuhören.“ Plötzlich hatte man Zinedine Zidane vor Augen, musste an Marco Materazzi denken – und der hässliche Ausraster von Lukas Podolski erschien einem mit einem Mal ganz klein. Wow!
Natürlich weiß Schweinsteiger, dass er auch nach seinem Aufstieg in die Chefetage der Mannschaft den Schweini geben muss. Und so zauberte er zum guten Schluss des Abends noch einen Satz hervor, in dem viermal das Wort Spaß vorkam. „Es macht immer Spaß, Fußball zu spielen, mit guten Mitspielern macht es sowieso Spaß, deshalb macht es mit Piotr auch Spaß, und wenn wir gewinnen, macht es sowieso Spaß.“ Sprach’s und ging.
Piotr Trochowski, der Gemeinte, hatte gerade sein erstes Länderspiel absolviert. Er war ganz zufrieden mit sich, bedankte sich artig bei Michael Ballack für dessen Anweisungen auf dem Platz und schickte ein Extralob in Richtung Schweinsteiger. „Ich habe im Fernsehen verfolgt, was er für eine Entwicklung genommen hat. Daran will ich mich orientieren.“ Vor ein paar Jahren noch spielten die beiden gemeinsam in der Jugend beim FC Bayern. Damals war Schweinsteiger sicher noch nicht das Vorbild für den Debütanten vom Samstag, der sich während seines ordentlichen, aber wahrlich nicht überragenden Auftritts ganz brav den Alten in der Mannschaft unterordnete. Einer der Alten: Bastian Schweinsteiger.
Joachim Löw zeigte sich überaus angetan vom Bayernspieler. Das Spiel habe, so der Bundestrainer, unter dem Motto „Verantwortung und Chance“ gestanden. Was sich anhört wie der Slogan einer arrivierten Partei im Wahlkampf, markiert verbal einen Wendepunkt in der Nationalmannschaft. Die Zeit des Sortierens beginnt. Ab sofort hat keinen Bonus mehr, wer in „Deutschland – ein Sommermärchen“ mitspielen durfte. Thomas Hitzlsperger, der auf der linken Abwehrseite wieder einmal arg phlegmatisch agierte, könnte ebenso bald den Kreis der Auserwählten verlassen wie Mike Hanke, der zwar fleißig war, aber zweimal allein vor dem georgischen Torhüter scheiterte. David Odonkor hingegen, der zum ersten Mal von Beginn an in der Nationalmannschaft spielen durfte, konnte Punkte sammeln im Wettbewerb um weitere Berufungen. Seine Außenbahnattacken sind zwar immer noch allzu oft vergebene Sprintermüh, weil seine Flanken einfach zu selten ankommen, doch sein Engagement auch in der Defensive hat den Bundestrainer beeindruckt.
Von den vier Neulingen – auch Jan Schlaudraff und Alexander Madlung durften in Rostock mitmachen – konnte am ehesten Clemens Fritz überzeugen. Der Bremer fand mit zunehmender Spieldauer immer besser ins Spiel und könnte mit seiner Leistung auf der rechten Abwehrseite Joachim Löws Entscheidung beeinflussen, auf welcher Seite er Philipp Lahm, der gegen Georgien geschont wurde, im EM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei einsetzt. Mit ihm und vor allem mit Torsten Frings sollte ein wenig mehr Sicherheit ins Spiel der Deutschen kommen. Löw bezeichnete das Match gegen Georgien als „unterhaltsames Spiel“. Ein eher vernichtendes Urteil, sagt es doch, dass auch der Gegner mitspielen konnte. Das sollte am Mittwoch gegen die Slowakei besser nicht passieren. Manuel Friedrich, der in der Innenverteidigung bisweilen unkonzentriert wirkte, hat aber keine Bange: „Wenn wir keine Chancen zulassen, dann kassieren wir auch keine Tore.“
Wohl wahr.