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Archiv-Artikel

Vielfältige Klangsprache

JAZZTAGE Unter dem Titel „Überjazz“ hat das Jazzbüro die Hamburger Jazztage komplett neu aufgelegt. Zu hören gibt dabei Musik, die bisweilen weit über die Jazzwurzeln hinausreicht

Auch der Mainstream ist durch Künstler vertreten, die auf der vordersten Welle reiten

VON ROBERT MATTHIES

Frische Jazz-Luft konnte man bei den Hamburger Jazztagen immer schon schnuppern. Seit 2004 bringt das Jazzbüro Hamburg einmal im Jahr internationale Stars gemeinsam mit der lokalen Szene auf die Bühne. Immer auf hohem Niveau, bislang mit kleinem Budget und zu oft mit wenig Publikum. Dieses Jahr nun geht das Festival nicht nur einen großen Schritt nach vorn – sondern auch über sich selbst hinaus. Ganz neu aufgelegt hat der Verein die Jazztage unter dem Titel „Überjazz“ – diesmal in enger Zusammenarbeit mit der Jazzredaktion des NDR, der Konzertagentur Karsten Jahnke und Kampnagel.

Gewachsen sind dabei nicht nur Budget und Rahmen – 23 KünstlerInnen, Bands und Projekte sind am Freitag und Samstag auf vier Kampnagel-Bühnen zu erleben –, sondern vor allem das musikalische Spektrum. Ihre Wurzeln haben alle MusikerInnen weiterhin im weiten Feld des zeitgenössischen Jazz. Klangsprachlich aber gehen sie bisweilen weit über traditionelle Sprechweisen hinaus.

Wenig mit klassischem Jazz am Hut hat etwa der Isländer Ólafur Arnalds: Angefangen hat der 23-Jährige als Metal-Schlagzeuger, seit zwei Jahren produziert der Multiinstrumentalist mit dem Duo „Kiasmos“ Minimal-Techno und auf seinem aktuellen Album „… and they have escaped the weight of darkness“ verstrickt er fragiles Piano, dissonante Streicher, hintergründige Synthies und unerwartete Schlagzeugparts zu einer 40-minütigen Elegie über das Verschwinden des Lichts.

Aber auch der Jazz-Mainstream ist vor allem durch KünstlerInnen vertreten, die auf seiner vordersten Welle reiten. Zu hören ist etwa Jason Moran mit seinem Trio „The Bandwagon“, 2003 und 2004 vom US-amerikanischen Jazzmagazin Downbeat gleich in drei Kategorien als „Bester Nachwuchskünstler“ ausgezeichnet. Die Tradition des Idioms, namentlich Thelonious Monk oder Don Pullen, hat der 35-Jährige dabei durchaus tief im Herzen. Aufsehen erregt der klassisch ausgebildete Pianist aber vor allem wegen seines ungewöhnlich konzentrierten Spiels – und seiner Offenheit für neue Perspektiven: Samples türkischer Handytelefonate sind ihm ebenso wenig fremd wie eine Zusammenarbeit mit „Wu Tang Clan“-Mitglied Ghostface Killah oder der Performance- und Video-Kunst-Ikone Joan Jonas.

Aber auch die Jazz-Geschichte ist vertreten: Am Freitagabend kann man mit John Scofield und seinem Trio eine echte Legende erleben. Seit Anfang der Siebziger ist der US-amerikanische Gitarrist und Komponist dabei, hat mit Größen wie Charles Mingus, Herbie Hancock, Pat Metheny und vor allem Miles Davis zusammengespielt und gilt spätestens seit Mitte der 90er als einer der exponiertesten Funk-Jazzer und gemeinsam mit Metheny und Bill Frisell als einer der bedeutendsten und innovativsten Jazz-Gitarristen seit Wes Montgomery.

■ Fr, 29. 10 und Sa, 30. 10., je 19 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20; www.ueberjazz.de