: Dem Tode geweiht
Katastrophale Missstände im Nationalpark Eifel beklagt der NABU NRW. Statt die Natur zu schützen, trampelten Besucher blind darin herum. Halb so wild, sagen Forstämter und Kommunen
VON ANNE HERRBERG
Skandal um den Nationalpark Eifel: „Der Park ist nur ein Papiertiger!“, sagt der Naturschutzbund (NABU) NRW. Soll heißen: Der Schutz der Natur steht im ersten und einzigen Nationalpark Nordrhein-Westfalens eben nicht an erster Stelle. „Nach drei Jahren gibt es immer noch keinen kompletten Nationalparkplan, der Kernzonen für den Umweltschutz festlegt“, so der NABU.
Ein Beispiel ist der nun erarbeitete Wegeplan: der sehe vor, Wanderwege mitten durch die Ruhezonen der Rothirsche zu leiten. Die befinden sich vor allem auf dem ehemalig belgischem Truppenübungsplatz Vogelsang. Seit dem 1.2.2005 ist das Gebiet für alle zugänglich: „Jetzt, wo die Belgier weg sind, wollen die Anwohner da natürlich überall wandern,“ sagt Manfred Aletsee vom NABU-Eifelteam. Deswegen widersetzten sich die Kommunen den fachlichen Beschlüssen der Naturverbände. Sie hätten bestimmte Wege sogar gegen einen Erlass des Umweltministeriums durchgewunken. „Kirchturmpolitik!“, kommentiert Aletsee.
„Stimmt nicht“ , sagt Henning Walter vom Nationalparkforstamt Eifel. Man habe sich letzte Woche auf einen Kompromiss geeinigt, mit dem das Umweltministerium „leben könne“. Die strittigen Wege seien ausgetauscht worden. Aber nur, um sie an anderen ebenso strittigen Stellen entlang zu führen, behauptet Aletsee. Unverständlich, warum der Naturverband dann „keinen Ton“ gegen den Kompromiss gesagt habe, entgegnet Manfred Poth von der Kreisverwaltung Euskirchen.
Keine Frage: Der Nationalpark erregt die Gemüter. Auf der einen Seite stehen die Kreise, Kommunen und Wandervereine, die den Nationalpark als Naherholungsgebiet nutzen wollen, sich touristischen Aufschwung erhoffen. Poth: „Der Tagestourismus blüht, der Naturpark ist das Highlight der Region!“. Auf der anderen Seite bangen die Naturverbände um Umweltschutz und Artenvielfalt. Aletsee: „Natur erleben ist zweitrangig, Priorität hat der Naturschutz!“ So kritisiert der NABU zudem, dass eine Umgehungsstraße geplant ist, die direkt am Park entlang geführt werden soll.
Ein weiterer Skandal: Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Vogelsang wird noch immer Jagd auf Rotwild gemacht. Obwohl der Park eines der letzten Gebiete Deutschlands ist, wo Rothirsche auch tagsüber zu beobachten sind. Die Krux daran: Die Burg Vogelsang und das angrenzende Terrain, das zum Nationalpark gehört, ist im Gegensatz zum Rest des Parks Eigentum des Bundes – wie alle ehemaligen Truppenübungsplätze der NATO.
Zwar sollte das Gebiet zum 1.1.2006 in Landesbesitz übergehen und gegen andere Ländereien getauscht werden. Doch das Geschäft platzte, „weil Bund und Land eine Koalitionsvereinbarung unterschiedlich ausgelegt haben“, so Pape. Eine vertrackte Situation: zwar muss sich der Bund an die Nationalparkverordnung halten. Allerdings ist darin eine Klausel, die ihm als Eigentümer Sonderrechte zugesteht. „Wir folgen natürlich immer den Zielen des Nationalparks“, so Pape. Der NABU allerdings sieht das anders. Für Aletsee ist der Haupt-Leidtragende dieser bürokratischen Sonderregel der Rothirsch.
Denn seit einem Jahr sei dessen Bestand im Nationalpark rückläufig, auch in diesem Jahr stehen wieder 144 Tiere auf der Abschussliste des Bundesforstamtes. „Der Vorwurf vom NABU ist absolut verfehlt“, sagt Bundesforstdirektor Jörg Pape. Gejagt werde in dem Gebiet schon immer: „Das darf man sich aber nicht als freudige Jagdgesellschaft vorstellen, es geht darum, den Wild-Bestand zu regulieren.“ Denn Hirsche verbeißen wiederum die Buchenwälder, für die der Nationalpark so berühmt ist.