: „Bush, die Ratte“, muss erledigt werden
Islamische Computer-Ballerspiele nehmen Tony Blair und George W. Bush als Zielscheibe. Sie sind eine fast originalgetreue Antwort auf US-Spiele, in denen Islamisten gejagt werden. Ihr gemeinsamer Nenner: Hass und Gewalt am Bildschirm
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
US-Präsident George Bush soll nicht nur in einem in Hollywood gegenwärtig umstrittenen Thriller-Projekt entführt werden. Der Präsident soll in einem neuen Computerspiel, genannt „Quest for Bush“ oder „Jagd auf Bush“ am besten gleich sterben. Das Spiel, Kenner überrascht es nicht, mutet an wie eines, das bereits vor drei Jahren den virtuellen Markt eroberte – und „Quest for Saddam“ heißt. In der Welt der Erschießt-die-Schurken-Spiele ist die Frage, wer der Feind und wer der Freund ist, eben dadurch zu beantworten, wer das Spiel programmiert hat.
Die Bush-Jagd jedenfalls stammt aus der Feder der „Globalen Islamischen Medien-Front“, einer radikalislamischen Organisation, der die Bush-Administration Kontakte zu al-Qaida nachsagt. Das neue Video (auf Arabisch und Englisch erhältlich) ist das extremste in dem noch kleinen, aber stetig wachsenden Angebot islamistischer Computerspiele. Bush und Blair müssen gejagt und im Kapitel „Bush, die Ratte“ schließlich zur Strecke gebracht werden.
Die meisten dieser Spiele sind für arabische Jugendliche leicht zugänglich und meist kostenlos im Internet herunterzuladen. Zwei ausgekoppelte Werbeclips auf der weltweit populären Internet-Video-Seite von YouTube.com hatten für sofortige Popularität gesorgt. Innerhalb weniger Tage waren die Clips für die Bush-Jagd 11.000-mal angeklickt worden.
Blogger-Kreise und das US-Verteidigungsministerium beobachten die Entwicklung mit Sorge. Wobei sich das Ministerium von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit diesem Medium und der Strategie bestens auskennt. Hatte es doch selbst im Jahr 2002 das Computerspiel „America's Army“ kostenlos ins Internet gestellt. Erklärtes Ziel war es, damit das Image der U. S. Army zu polieren und junge Männer zu animieren, sich freiwillig für den Irakkrieg zu melden.
„Es ist ein sehr bizarrer Pingpong-Dialog entstanden“, sagt Ed Halter, Autor des im Mai dieses Jahres in den USA erschienen Buches „Von Szun Tzu bis Xbox: Krieg und Videospiele“. „Kaum erscheint ein westliches, antiislamisches Spiel, erscheint kurze Zeit später ein entsprechend antiwestliches Spiel. Das Beunruhigende daran ist, dass der Dialog nur aus dem kleinsten gemeinsamen Nenner besteht, nämlich aus Hass und Gewalt,“ erklärt Ed Halter.
Radwan Kasmiya, ein 31 Jahre alter Spieleprogrammierer aus Damaskus, Syrien, der die Spieleschmiede Afkar-Medien betreibt und damit zu den wenigen kommerziellen Firmen gehört, die versuchen, sich in der islamischen Computerwelt zu behaupten, sieht die Sache naturgemäß anders. „Ich mag Spiele wie das amerikanische ‚Counter-Strike‘ überhaupt nicht. Wir sind immer die Terroristen, die Feinde.“
Kasmiya hat „Quest for Bush“ schon gespielt und meint, es sei reine Propaganda. Er selbst hat mit Afkar-Medien im Jahr 2002 ein Spiel geschrieben, „UnderAsh“, das die erste Intifada durch die Augen des Palästinenserjungen Ahmad nacherlebt. Dabei werden israelische Soldaten gezeigt, wie sie palästinensische Kinder erst erschießen und anschließend noch mit Steinbrocken zertrümmern.
„Unsere Spiele sind keine Propaganda, sie zeigen nur, wie unsere Vergangenheit und Gegenwart aussehen“, sagt Kasmiya. Die meisten westlichen Filme und Spiele „zeigen uns Muslime in einem schlechten Licht. Wir wollen versuchen, unsere Sicht der Dinge zu zeigen“, schreibt er anlässlich einer Debatte unter Bloggern. Reich geworden ist er mit seinen Spielideen allerdings noch nicht.
Denn obwohl Computerspiele im Nahen Osten populär sind, spielen Jugendliche von Damaskus bis Dubai lieber US-Spiele. Und weil die Westware oft zu teuer ist, wird zudem illegal kopiert. Daher können sich Firmen wie Afkar, Techniat 3D, ebenfalls aus Syrien, und Imaginations aus den Arabischen Emiraten mit ihren Produkten kaum über Wasser halten.
„Das US-Verteidigungsministerium verteilt sein Spiel ‚America's Army‘ zu propagandistischen Zwecken. Das Spiel ist extrem beliebt. Da ist es nicht überraschend, dass islamistische Extremisten diese Technik und den Erfolg vor allem bei Jugendlichen kopieren wollen“, schreibt Dennis McCauley, der den Blog Gamepolitics.com betreibt.
Jesse Petrilla, Chef der kalifornischen Spielefirma Petrilla Entertainment und Autor des Spiels „Quest for Saddam“ (14,95 Dollar) hat wenig Verständnis für die Bedürfnisse der anderen Seite. Letztes Jahr gründete der 23-Jährige das United American Committee, eine Organisation, die US-Amerikaner an die Bedrohung erinnern will, die vom radikalen Islamismus ausgeht. Kürzlich henkte seine Gruppe daher eine Ussama-Bin-Laden-Puppe vor der Moschee im kalifornischen Culver City. Seine neueste Antwort im Schlagabtausch der Medien-Krieger: Er will sein Spiel die „Jagd auf Saddam“ künftig kostenlos anbieten.