: Friedrich Merz will heimlich verdienen
Neun Abgeordnete klagten in Karlsruhe gegen die Pflicht, ihre Nebeneinkünfte anzugeben. Sie haben das Gefühl, dass sie mit ihren angestammten Berufen als Abgeordnete nicht mehr erwünscht sind. Die Richter zeigten sich wenig beeindruckt
AUS KARLSRUHECHRISTIAN RATH
Ein dicker Lobbyist mit Zigarre stand gestern vor dem Bundesverfassungsgericht – fünf Meter groß und aufgeblasen vom Protestdienstleister Campact. Sie forderten die sofortige Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Politikern. Drinnen verhandelten die Richter über die Klage von neun Bundestagsabgeordneten, darunter Friedrich Merz (CDU), die genau diese Pflicht verhindern wollen.
Der FDP-Politiker und Unternehmer Heinrich Kolb kam gleich zum Punkt: „Wenn Nebeneinkünfte Einfluss auf mein Mandat haben könnten, bin auch ich für Transparenz. Aber ich sehe keinen Grund, warum ich die Einkünfte aus meinem Unternehmen veröffentlichen soll.“ Kolb ist mit seinem Bruder zusammen Gesellschafter eines metallverarbeitenden Betriebs. „Die Wähler interessiert zurecht, ob ich korrupt bin, nicht wie viel mein Unternehmen verdient“, glaubt Kolb.
Seit Ende März müssen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte dem Bundestag melden: berufliche Einnahmen, Beraterverträge, Vortragshonorare. Alles ist zu melden, was mehr als 1.000 Euro pro Auftrag respektive mehr als 10.000 Euro pro Jahr einbringt. Die genauen Summen und Auftraggeber erfährt allerdings nur der Bundestagspräsident. Öffentlich müssen die Abgeordneten nur angeben, ob die Nebeneinkünfte jeweils unter 3.500 Euro, bis zu 7.000 Euro oder über 7.000 Euro pro Monat betragen.
Die Kläger stammen überwiegend aus CDU/CSU und FDP, mit dabei ist aber auch der SPD-Abgeordnete Peter Danckert, jedoch kein Vertreter von Grünen und Linkspartei. Die meisten Kritiker sind wie Friedrich Merz Rechtsanwälte. Sie halten die Pflicht, ihre beruflichen Einnahmen anzugeben, für einen unzulässigen Eingriff in ihr Abgeordnetenmandat. „Mein Beruf beeinträchtigt meine Unabhängigkeit doch nicht, im Gegenteil, er macht mich unabhängiger von der Partei und der Fraktion“, argumentierte Merz.
Die Abgeordneten haben aus dem Streit eine Grundsatzangelegenheit gemacht, weil sie das Gefühl haben, dass sie mit ihren angestammten Berufen als Abgeordnete nicht mehr erwünscht sind. Seit letztem Jahr heißt es nämlich im Abgeordnetengesetz, dass für Volksvertreter das Mandat „im Mittelpunkt“ ihrer Tätigkeit stehen müsse. Merz dagegen sagte offen, dass er ungefähr die Hälfte der Zeit für seine Tätigkeit als Anwalt und in verschiedenen Aufsichtsräten benötige. „Es gibt im Bundestag schon genug Abgeordnete, die nicht mehr in bürgerliche Berufe resozialisierungfähig sind“, ätzte der ehemalige Fraktions-Vize.
Der Bundestag wurde gestern von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) vertreten. Für ihn war es eine heikle Rolle, denn gemeinsam mit den anderen CDU-Abgeordneten hatte er im Vorjahr gegen die von der damaligen rot-grünen Mehrheit durchgedrückte neue Transparenzregelung gestimmt. Gestern zog er sich aber elegant aus der Affäre: Er habe das Gesetz auch damals nicht für verfassungswidrig gehalten. So argumentierte auch der vom Bundestag beauftragte Berliner Professor Ulrich Battis: „Man mag die Regelung für zweckmäßig halten oder nicht, aber es gibt keinen Grund, hier das Verfassungsgericht anzurufen.“ Der Bundestag dürfe laut Grundgesetz die Arbeit des Parlaments ausgestalten. Auch die Richter zeigten sich von der Klage wenig beeindruckt. Siegfried Broß sagte als Berichterstatter gleich zu Beginn, dass die Abgeordneten nach seiner Ansicht kein völlig freies, sondern ein „pflichtgebundenes“ Mandat innehätten. Dazu gehöre auch die Pflicht zur „vollen Hingabe“ an ihr Amt. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.