leserinnenbriefe :
Versöhnung sieht anders aus
■ betr.: „Wir waren doch keine Toren“, Interview mit Egon Bahr,taz vom 29. 10. 10
„Und dass er (Brandt) dabei mehr zu schlucken hatte als andere liegt doch auf der Hand.“ Wie viel Wahrheit in diesem Satz steckt, in einem ansonsten ernüchternden Interview. Was soll die Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit bedeuten, schon damals eine derartige Untersuchung durchzuführen, wenn die Antwort schlicht darin besteht, dass anstatt des naziverseuchten höheren Dienstes dann eben ein vertrauenswürdiger Kollege des gehobenen Dienstes eingesetzt wurde? Versöhnung sieht anders aus; vor allem setzt sie Erkenntnis und Sühne voraus und nicht einen faulen Kompromiss, der aus dem Konflikt im Auswärtigen Amt letztlich eine chronische Krankheit gemacht hat. Sie mögen keine Toren gewesen sein in ihrem Pragmatismus zur Macht, aber töricht „versöhnt“ reibt man sich 50 Jahre nach der „Regierung der Versöhnung“ und diesem Interview verwundert die Augen. WOLFGANG FERBER, Lübeck
Das Gesetz ist nicht notwendig
■ betr.: „Die Tür für Schwarz-Grün ist nicht zu“, Interview mit Peter Altmaier (CDU), taz vom 28. 10. 10
Ein Allgemeinplatz: „Alle Gesetze sind reversibel“ – besonders wenn dies dem Machterhalt dient. Wenn Herr Altmaier einen Tag vor Verabschiedung des Gesetzes bereits laut über dessen Annullierung nachdenkt, beweist dies, dass das Gesetz nicht notwendig ist. Kein Gesetz behält so lange Gültigkeit wie der durch die Verlängerung verursachte zusätzliche Atommüll strahlt.
EVI MEISBERGER, Völklingen
Zwei gute Gründe für Abgabe
■ betr.: „Kein guter Grund“, taz vom 28. 10. 10.
Ich wundere mich, warum Herr Waldhoff keine Grundlage für Abgaben sieht. Treffenderweise führt er als Grundlage für Gebühren den Verbrauch öffentlicher Güter auf, den er allerdings beim Betrieb von Atomkraftwerken negiert. Nun ist unkontaminierter Boden beispielsweise sehr wohl ein öffentliches Gut. Ein Argument für eine Sonderabgabe lässt sich ebenso schnell finden: Hält man sich dazu vor Augen, dass Atomkraftwerke derzeit für 2,5 Milliarden Euro haftpflichtversichert sind, das heißt, dass der Staat und die betroffenen Bürger den Löwenanteil des Schadens aufbringen müssten, so wirken die Abgaben in dem Maße, wie sie nun beschlossen wurden, doch sehr niedrig. Anhand der Kosten für den Abtransport der Abfälle aus der Asse, für den der Staat aufkommen wird, obwohl die Industrie ehemals die Nutzungen aus der Forschungsarbeit in der Asse erhielt, erhält man einen kleinen Vorgeschmack, welche Kosten auf die Allgemeinheit in den nächsten 10.000 Jahren zukommen könnten. Die Entwicklung erneuerbarer Energien wird dieses Risiko durch Atomkraftwerke reduzieren, weil die erneuerbaren Energien Atomkraftwerke auf lange Sicht überflüssig machen sollen. Dies ist die enge Beziehung zwischen den Abgabenzahlern und dem finanzierten Zweck, die durch Waldhoff negiert wird.
Solange die Atomindustrie ihre Anlagen nicht für 2,5 Billionen Euro haftpflichtversichert (unterer Wert einer Prognose der Prognos AG von 1992 für die Kosten bei einem schweren Atomunfall), hat der Staat also zwei legitime Grundlagen, um Abgaben einzufordern: Eine Gebühr für die Nutzung des öffentlichen Gutes „unkontaminierter Boden“ sowie die Einforderung einer Sonderabgabe, die durch Förderung erneuerbarer Energien das Risiko für den Staat reduzieren soll, bei einem Unfall für den Schaden aufkommen zu müssen.
FLORIAN KERN, Frankfurt am Main
Neue Medikamente meiden?
■ betr.: „Scheibchen machen aus dem großen Brot“,taz vom 28. 10. 10
So wie das neue Arzneimittelmarktgesetz durch den gezielten Einsatz der Pharmalobby verwässert wurde, sieht es so aus, dass die PatientInnen in Zukunft zu Versuchskaninchen für neue Medikamente werden. Das gilt nicht nur für die Medikamente für seltene Krankheiten, die dann gar keiner Nutzenbewertung mehr unterliegen: Auch alle neu auf den Markt kommenden Medikamente sollen bereits nach drei Monaten das Plazet des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen erlangen, ohne dass das Institut in dieser Zeit bereits zu einem negativen Urteil kommen könnte. Unliebsame Forschungsergebnisse wurden bereits in der Vergangenheit von den Pharmafirmen unter Verschluss gehalten, also werden sie auch künftig nur positive Belege vorweisen, die einen Zusatznutzen versprechen, ohne etwaige Risiken nennen zu müssen. Also in Zukunft besser neue Medikamente meiden?
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Adel wurde abgeschafft
■ betr.: „Adel verzichtet“, taz vom 30. 10. 10
Das grenzt an vorsätzliche Körperverletzung! Der Artikel über Fried von Bernstorff hätte genauso in jeder beliebigen Boulevardzeitung stehen können. Die Autorin Astrid Geisler hat verpasst, dass der Adel in Deutschland abgeschafft worden ist und nur noch als Bestandteil des Namens geführt werden darf. Wie kann es passieren, dass ohne Kommentar oder Ironie Passagen in der Zeitung erscheinen, die vom „Adel“ handeln, der keinen Standesdünkel hegt?
GABI BAUER, Südergellerse