Starscout

Ich wollte mich bewerben. Als Schauspielerin. Als Filmschauspielerin. Okay, genau genommen als Pornodarstellerin. Warum nicht, dachte ich mir in meiner Naivität. Ich mag Sex. Ich bin süß. Mir gefallen Jungs und Mädchen und Geld. Mir wird eine gewisse Unersättlichkeit nachgesagt. Ich halte nichts von Geheimniskrämerei und auch nicht von faden Jobs in langweiligen Büros. Warum also nicht Liebe machen wie jeden Tag, nur zur Abwechslung mal für mehr als nur Liebe und mit jemand Sportlicherem als meinem Freund. Also stakste ich zur Filmfirma. Mit roten Lippen und Minirock. Enorm erotisch.

Und dann kam alles ganz anders als gedacht. Ich trug extra wasserfeste Wimperntusche, um sexy im Whirlpool Cocktails schlürfen zu können, aber man setzte mich an einen grauen Schreibtisch und stellte mir eine Apfelsaftschorle vor die perfekt gepuderte Nase. Die erste Anforderung, die man mir stellte, konnte ich bewältigen. Einen Künstlernamen sollte ich mir zulegen. Kein Problem. Ich nahm Natascha. Da grinsten schon alle so glücklich, der Produzent malte Dollarzeichen auf seinen Notizzettel.

Bei den folgenden Aufgaben fiel ich durch. Von meinen Vorlieben im Bett sollte ich erzählen, was mir besonders Spaß mache. Na ja, Orgasmen eben, und dann aber auch manchmal kuscheln. Also, Schwänze in die Hand oder den Mund zu nehmen, gefällt mir nicht so, erklärte ich. Die Gesichter mir gegenüber verdüsterten sich merklich. Dann sollte ich so schnell wie möglich vorzeigen: HIV-Test (höchstens einen Monat alt), Hepatitis-C-Test (höchstens zwei Monate alt), gültigen Personalausweis. In Original und Kopie. Mein Ausweis ist abgelaufen, einen HIV-Test habe ich vor vier Jahren für meinen Freund gemacht, den Hepatitis-C-Test bestenfalls kurz nach meiner Geburt.

Und Dessous sollte ich mitbringen. Aus Gummi, Lack und Leder. Das verspielte Satin-Negligé von H & M stieß nicht auf Interesse. Ich hatte ja auch ehrlich gesagt erwartet, dass um mich als Schauspielerin eine Kostümbildnerin, eine Ankleiderin und ein Maskenbildner mit Taschen und Tüten und Truhen herumwuseln würden. Stattdessen hieß es, es wäre begrüßenswert, wenn ich den Männern beim Schminken helfen könnte.

Man fragte mich, ob ich mir auch zutrauen würde, kleinere Dialoge zu sprechen. Ich war verdutzt. Was sollte eine Darstellerin denn sonst tun, außer dem bisschen Sex manchmal?

Dann wollten sie ernsthaft wissen, ob sie auch mal bei mir in der Wohnung drehen könnten? Und wo genau? Die spinnen doch, dachte ich. Mein Freund wird zum Wurfgeschoss, wenn ich mit diesem Pornoteam in unserem gemeinsamen Monogamienest auftauche, womöglich das künftige Kinderzimmer entweihe oder das designierte Ehebett.

Und dann prasselten Begriffe auf mich nieder, von denen ich keinen einzigen verstand: Ob ich Lust auf Natursekt hätte, SM okay wäre, Sandwich, Gangbang, Fisting, Fellatio, Cunnilingus, alles aktiv und passiv, mit Männern und Frauen, zu zweit und in Gruppen. Hatten mir meine Lehrer nie verraten, dass man Latein auch für Sex braucht. Sonst hätte ich mir mehr Mühe gegeben. Von Doktor Sommer war ich im Nachhinein aber auch etwas enttäuscht, ich dachte, der hätte mir mehr beigebracht. Natascha, vergiss es. Vielleicht, überlegte ich, könnte ich meinem Freund zu Weihnachten einfach eine Kamera schenken und ein Fremdwörterbuch. Dann machen wir all die Fellatios alleine und anschließend gibt’s Sekt mit Sandwiches. CORELIA GELLRICH