Eilmeldung. Die informierte Gesellschaft?

Trotz digitaler Revolution gibt es Menschen am analogen Rand der Gesellschaft

VON ALINA KALLENBACH
UND MARIUS VON HOLLEBEN

Hier ein Zeitungsstand, dort ein Hotspot, aus den Lautsprechern in einem Laden dröhnen die aktuellen Nachrichten. Passanten eilen telefonierend, schreibend und twitternd durch die Straßen. Informationen erreichen uns heute immer und überall. Laut der von ARD und ZDF finanzierten „Studie Massenkommunikation 2010“ konsumieren die Deutschen im Durchschnitt 9 Stunden und 48 Minuten Medien täglich. Das am häufigsten genutzte Medium ist das Fernsehen mit 220 Minuten, auf Platz zwei folgt das „Nebenbeimedium“ Radio mit 187 Minuten. Die Bronzemedaille erhält das World Wide Web mit einer Nutzungsdauer von 83 Minuten – Tendenz steigend.

Wenn man diese Zahlen sieht, scheint es, als ob wir nur im Schlaf eine Pause bekommen. Immer öfter häuft sich ein unüberwindbarer Berg von Nachrichten an. Die Informationen landen unverarbeitet auf der geistigen Müllhalde. Insbesondere online scheint aktuell und schnell wichtiger als nachhaltig und relevant. Doch Info-Häppchen sättigen nicht.

Aber es gibt auch Netzwerke, die die neuen Möglichkeiten zielorientierter nutzen. Die Piratenpartei will beispielsweise mit Hilfe des Netzes die Demokratie verbessern und fordert ein Ministerium für die Wissens- und Informationsgesellschaft. Auch Wikipedia und Wikileaks nutzen das Internet als Plattform, um die Gesellschaft zu informieren und aufzuklären.

Die Informationsgesellschaft hat aber zwei Gesichter. Den gesättigten Netzbürgern und „Digital Natives“ stehen Millionen von Menschen gegenüber, die das Internet nicht nutzen. Laut einer repräsentativen Umfrage der Initiative D21 sind 35 Prozent der Bevölkerung Deutschlands sogenannte „digitale Außenseiter“. Diese Menschen sind selten beziehungsweise nie online und kennen keine multimediale Informationsflut. Sie surfen nicht im Netz und besitzen keine Smartphones. Einige tun dies aus Überzeugung: Netzverweigerer werben für den Ausstieg aus sozialen Netzwerken und leben analog. Sie könnten also, wollen aber nicht.

Dem weit größeren Teil der „digitalen Außenseiter“ fehlt es schlicht an praktischem Wissen. Besonders ältere Menschen haben Angst und fühlen sich vom World Wide Web bedroht. Daran ändert auch die Bewegung der „Silver Surfer“, wie sich online-aktive Senioren gerne nennen, erst einmal wenig. Gezwungenermaßen isoliert vom Rest der Informationsgesellschaft leben andere Außenseiter_innen. Sie haben keine Angst vor dem Internet, wollen an der Informationsgesellschaft teilhaben – können und dürfen aber nicht. Viele Asylbewerber_innen und die große Mehrheit der Gefängnisinsassen in Deutschland haben keinen Zugang zum Internet. Ihnen wird das Recht auf Information und Kommunikation verwehrt.

Das sollten die zuständigen EU-Minister_innen bedenken. Sie diskutieren seit längerem über Pläne zum Ausbau der Informationsgesellschaft in Europa. Bei allem Unmut über die neue Informationsflut auf der einen und den Klagen über fehlenden Informationszugang auf der anderen Seite steht eines fest: In einer Demokratie muss der freie Zugang zu Informationen für alle gewährleistet sein. Den richtigen Umgang mit der Informationsvielfalt muss allerdings jeder selbst erlernen.