: Möbel aus dem Müll
Lieber gebraucht als teuer: Schöne und scheußliche, schräge und alltägliche Einrichtungsgegenstände finden sich in den Sperrmüll-Kaufhäusern „Stilbruch“ in Altona und Wandsbek, wo man in aller Ruhe und ohne Kaufhausmusik stöbern kann
von BJÖRN BENDIG
Knallorange ist die offene Stahltür, die den Besucher von Stilbruch empfängt. Schon der Eingang des Sperrmüll-Kaufhauses „Stilbruch“ verrät, dass es sich hierbei nicht gerade um einen gewöhnlichen Laden handelt. Wir betreten vielmehr einen Anlaufplatz für Stöberer und Entdecker, so scheint es, die ohne Berieselung durch Kaufhausmusik in langsamen Bewegungen die Ware begutachten.
Stilbruch ist ein Tochterunternehmen der Stadtreinigung, begann vor rund fünf Jahren mit einem Geschäft in Wandsbek, und wird regelmäßig mit Nachschub aus der Sperrmüllabfuhr der Stadt versorgt. Nach der Abschaffung des Sperrmülls als Straßensammlung bemerkte die Stadtreinigung, „dass Antiquariate ständig auf Recyclinghöfen nach Brauchbarem suchten“, erklärt ihr Sprecher André Möller den Ursprung der Geschäftsidee. Dann habe man sich für die „Gründung eines Sperrmüll-Kaufhauses“ entschieden, so Möller. „Wir haben alles, aber nicht immer“, umreißt Toni Franzen, Filialleiter von Stilbruch Altona und Mann der ersten Stunde des Unternehmens, das eigenwillige Geschäftsmodell.
Das bunt durchwachsene Sortiment von Stilbruch verteilt sich auf rund 700 Quadratmeter Ladenfläche. Möbel werden hier genauso angeboten wie Bücher, Elektrogeräte oder Schallplatten– alles nach dem Motto: lieber gebraucht als teuer.
Ein kleines Café mit Tresen und Barhockern, es zählt gerade zwei Gäste, ist offener Bestandteil des Ladens und sorgt für den angenehmen Duft. Im Durchgang zur Möbelabteilung unterhält sich eine Afrikanerin mit einem Angestellten in gebrochenem Englisch über Alltägliches. Man kennt sich offenbar.
Am Eingang stehen zwei Rollstühle, weiter hinten Tische, Sofas, Schränke, dazwischen plötzlich Fahrräder und eine Kleiderstange mit Lederjacken. Für Wintersportler gibt es Skier und auch ein Snowboard, Kinderwagen und Kronleuchter gehören ebenfalls zur Angebotspalette.
Das ist kein Widerspruch, sondern Konzept: „Aus der Quelle erschließt sich das Angebot“, erklärt Franzen weiter und spielt damit auf die Zusammenarbeit mit der Stadtreinigung an. „Die Leute spenden uns auch viel, besonders die Alten“, sagt Franzen und deutet mit dem Finger in Richtung Bücherwand, „die möchten ihre schönen Stücke nicht wegwerfen“. Die insgesamt 14 Angestellten bei Stilbruch reinigen dann die noch zu verwertenden Einrichtungsgegenstände und „peppen sie auf“, so Franzen, dafür habe Stilbruch eine kleine Tischlerei. Für Schnäppchenjäger ohne Auto oder für große Möbelstücke, bietet Stilbruch auch die Anlieferung durch seine Mitarbeiter an.
Stilbruch arbeitet gewinnorientiert und ist durchaus konkurrenzfähig. Das erklärt die Eröffnung der zweiten Filiale in der Ruhrstraße im September dieses Jahres. „Wenn die Erfolgsgeschichte weitergeht“, beschreibt Möller die Perspektive, „expandieren wir.“ Die Gewinne von Stilbruch fließen zurück zur Hamburger Stadtreinigung und „sorgen dafür, dass die Gebühren für Sperrmüll nicht steigen“, sagt Möller.
Das Geschäft hat saisonbedingte Verkaufsschlager. Zum Winter hin „verkaufen wir viele Lampen und Betten, die Leute haben dann so ein Kuschel-Gefühl“, versetzt sich Franzen in seine Kunden, „im Sommer gehen Zelte und Gartenmöbel besonders gut“.
Ungeachtet dieser Trends ist eine junge Frau mit ihrem Blick in ein Regal vertieft und greift mal nach einem Empfangsgerät für Satellitenfernsehen, mal nach einer elektrischen Kaffeemühle. Sie nimmt schließlich keines von beiden. Sie geht mit leeren Händen an der Kasse vorbei und verschwindet – natürlich durch eine Stahltür in knallorange.