DEUTSCHE PRIESTER WOLLEN EIN RÖMISCHES TRADITIONSCAFÉ RÄUMEN LASSEN UND KRIEGEN DAFÜR MÄCHTIG ÄRGER : Mit Prosecco gegen die Teutonen
MICHAEL BRAUN
Den Frieden führt das Antico Caffè della Pace schon im Namen – und der Ort ist wahrlich friedlich. Efeu rankt sich an den Wänden des Palazzo Gambirasi hoch, von den Tischen vor dem Lokal fällt der Blick auf die prächtige Barockfassade der Kirche Santa Maria della Pace. Das Café liegt bloß ein paar Schritte von der Piazza Navona entfernt, auf der sich Scharen von Touristen drängeln – doch von dem Trubel schwappt schier gar nichts in die Gasse gleich ums Eck.
„Wir sind ein Stück authentisches Rom, Rom, wie es einmal war“, erklärt die Inhaberin Daniela Serafini. Dunkelblaues Samtkleid, eine schwere Goldkette um den Hals: Die füllige ältere Dame fügt sich ganz in den Stil des Lokals mit den kleinen Marmortischen, dem mit geschnitzten Figuren verzierten Tresen, der mächtigen antiken Säule im Zentrum des Lokals, der uralten, goldfarbenen Registrierkasse.
Doch mit der Ruhe ist es zurzeit vorbei. Es herrscht Krieg im Friedensreich des Caffè della Pace. Statt der Cocktail-Preisliste finden sich Flugblätter auf den Tischen, „Die Geschichte räumt man nicht“, heißt es in großen Lettern, dazu liegen Unterschriftenlisten aus, auf der die Gäste ihren Protest mitteilen können. Ihren Protest gegen das „Collegio Teutonico“, das Teutonen-Priesterkolleg, das die deutsche Gemeinde in der Kirche Santa Maria dell’Anima betreut, die auch stolzer Besitzer des Palazzo Gambirasi ist.
„Unser Mietvertrag ist seit zwei Jahren ausgelaufen – und die Inhaber wollen einfach nicht über eine Verlängerung verhandeln. Stattdessen haben sie uns einen gerichtlichen Räumungsbescheid zugestellt“, empört sich Frau Serafini. Da solle ein Café dichtgemacht werden, das seit 1891 existiert und seit über 50 Jahren von ihrer Familie geführt wird. Ein Café, in dem sich seit Jahrzehnten Künstler, Literaten, die alten Herrschaften des Viertels genauso wie junge Touristen treffen. Frau Serafini übertreibt nicht; am Nebentisch hat sich gerade Achille Bonito Oliva niedergelassen, Italiens berühmtester Kunstkritiker.
Oliva findet die drohende Schließung skandalös. „Schauen Sie sich doch nur um, hier in den umliegenden Straßen, statt der alten Geschäfte gibt es bloß noch Eisdielen, Schnellpizzerien und Shops für Billigsouvenirs“, redet er sich in Rage.
Absolutes Stillschweigen herrscht dagegen auf der anderen Seite: Bloß mit ein paar wolkigen Zeilen im letzten Pfarrbrief erklärt Teutonen-Kurat Peter Unkelbach, dass „ungeheure Lügen“ verbreitet und „kriminelle Manöver“ gegen das Kolleg geführt würden. Alles sei noch offen. Daran aber glaubt Frau Serafini nicht. Alle Vermittlungsversuche der Stadt, des Präfekten, diverser Abgeordneter haben nichts gefruchtet, deshalb rief sie letzten Dienstag zum Sit-in vor dem Café.
Der friedliche Geist des Ortes behielt die Oberhand. Gewiss, man schimpfte auf die „preti tedeschi“, die „deutschen Priester“, die den Palazzo angeblich zu einem Luxushotel machen wollen. Dann aber gab es Prosecco und Häppchen.