die taz vor 20 jahren über das scheitern des gipfels von reykjavík
:

Aus europäischer Sicht ist Ronald Reagans Weigerung, SDI in die Verhandlungen mit einzubeziehen, ein Schlag ins Gesicht seiner engsten Verbündeten. Haben uns Experten, Politiker und Journalisten nicht jahrelang versichert, daß der Präsident, wenn es darauf ankäme, zu Verhandlungen bereit sei? Doch die Vorliebe der Reaganistas für eine Strategie, die sich auf die Möglichkeit eines Erstschlags im Falle einer Krise stützt, ist offenbar. Es wurde erwartet, daß die anhaltende Wirtschaftskrise die Regierung zur Vernunft bringen würde. Das Gegenteil scheint jedoch der Fall zu sein. So kann zumindest der militärisch-industrielle Komplex als wirtschaftlicher Katalysator funktionieren.

Für die Republikaner war die ideologische und psychologische Mobilisierung zur Unterstützung der Regierung in ihrem permanenten Kampf um die globale Vorherrschaft schon immer Leitlinie amerikanischer Politik. Ordnet sich die Opposition den Erfordernissen des „Empires“ nicht unter, muß sie dazu gezwungen werden. Opportunität wird deshalb zu einem wesentlichen Charakterzug von Politikern. Das US-Empire hat eine ganze Gruppe von Parasiten geschaffen, die nicht ihm zu Diensten sind, sondern von ihm leben.

Die Parasiten sind jedoch nicht auf die USA beschränkt. Die sowjetischen Militaristen und Superpatrioten setzen nun ihrerseits Michail Gorbatschow unter Druck. Es bleibt zu hoffen, daß ihm genug Raum für innenpolitische Manöver bleibt. Außenpolitisch hat sich sein Spielraum durch Reagans Hartnäckigkeit vergrößert. Die Welt blickt nun auf die Sowjetunion, um zu sehen, wie sie auf dieses universale Drama reagiert: Kühne Vorschlägen wären angebracht, die es den westeuropäischen Regierungen erschweren, sich wieder einmal dem amerikanischen Diktat zu beugen. Maßnahmen wie zum Beispiel die Verlängerung des Atomtestmoratoriums würden ganz nebenbei auch die amerikanische Opposition ermutigen. Norman Birnbaumtaz vom 14. 10. 1986