Auch mal ein Buch vorlesen

KITA Sprachförderung für unter Dreijährige wird etwas verbessert

„Bei uns hier im Kiez leben kaum noch deutsche Familien“

EVA LIEBKE, KITA-LEITERIN

„Ein schöner Termin“, raunt die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) ihrer Kollegin auf Bundesebene Kristina Schröder (CDU) zu. Die nickt lächelnd, beide staksen an den Kameras vorbei zum Podium, wo schon die Berliner Staatssekretärin für Bildung, Claudia Zinke (SPD), sitzt.

Schön ist, dass Schröder an diesem Dienstag verkünden kann, dass sie 400 Millionen Euro zu verteilen hat. Damit können 4.000 Brennpunktkitas bis 2014 eine zusätzliche Halbtagskraft einstellen und sich künftig „Schwerpunktkita für Sprache und Integration“ nennen. Die CDU-Politikerin darf somit mal einen konstruktiven Beitrag zur Debatte um Integration und Verweigerung leisten.

Berlin und Bayern haben als erste Bundesländer eine Vereinbarung mit dem Bund unterzeichnet. Verlieren können sie nichts: das Geld kommt vom Bund, die Länder dürfen die Kitas auswählen. In Berlin könnten nach Auskunft des Familienministeriums 188 Kitas profitieren, also etwa jede zehnte.

Einen passenderen Ort als die Kita „Wattstraße“ hätte sich Schröder zur Verkündung ihres Programms nicht aussuchen können. Das Haus liegt nördlich der Bernauer Straße im Wedding. Leiterin Eva Liepke referiert mit ruhiger Stimme die Fakten. Die 75 Kinder kommen überwiegend aus türkischen und arabischen Familien, fast alle Eltern zahlen den ermäßigten Sozialbeitrag. Die Mütter sind zu 95 Prozent zu Hause und sprechen oft kein Deutsch. „Dass unsere Kinder mal zu deutschen Kindern zum Geburtstag eingeladen werden, kommt auch nicht vor. Denn hier leben kaum noch deutsche Familien.“ Fazit: Der Kindergarten ist die wichtigste – und oft einzige – Anlaufstelle für die Kinder, um bis zur Einschulung Deutsch zu lernen.

Die von Schröder gesponserten Halbtagskräfte – es müssen keine ausgebildeten Erzieher sein – sollen sich auf die unter Dreijährigen konzentrieren und gleichberechtigt mit den ErzieherInnen in der Kita arbeiten. Das heißt, sie reden mit den Kindern beim Windeln und Anziehen, sollen aber auch mit den Eltern zusammenarbeiten und die Erzieher auf Qualifizierungen hinweisen. Leiterin Liebke hängt die Erwartungen tiefer: Wenn die Zusatzkraft auch mal dazu kommt, ein Buch individuell vorzulesen, wäre schon viel gewonnen. „In vielen Familien passiert das nicht.“

Neulich waren ehemalige Kinder zu Besuch, erzählt Liebke. Die Drittklässler haben den Kleinen vorgelesen. „Und zwar richtig flüssig – die haben es geschafft“, und schwächt ab: Leider gelänge das nur sehr wenigen. Eine zusätzliche halbe Stelle, das sei nicht die Welt. Aber ein Schritt. ANNA LEHMANN

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