: Medwedjews Insel-Abstecher erbost Tokio
STREIT Nach Besuch des russischen Präsidenten auf den Kurilen beruft Japan Botschafter aus Moskau ab
MOSKAU taz | Eine Stippvisite des russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew auf der Südkurilen-Insel Kunaschir hat in Tokio für Verstimmung gesorgt. Am Dienstag rief Japan seinen Botschafter zu Konsultationen aus Russland ab. Anfang der Woche hatte der Kremlchef auf der von Russland beherrschten Insel Kunaschir einen dreistündigen Zwischenstopp eingelegt. Es war der erste Besuch eines russischen Staatsoberhauptes auf dem Archipel, den die UdSSR nach der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg annektierte. Die Inseln Kunaschir, Iturup, Schikotan und die Gruppe der Habomai-Inseln betrachtet Japan nach wie vor als seine „nördlichen Territorien“. Wegen des Konfliktes um die vier südlichen Kurilen-Inseln befinden sich Russland und Japan formell immer noch im Kriegszustand.
Offiziell galt Medwedjews Besuch der Inspektion eines geothermischen Kraftwerks und einer Fischfabrik. Russland erhebt zwar Anspruch auf die Südkurilen, die Region wurde jedoch seit Jahrzehnten von Moskau vernachlässigt und ist trotz eines 2006 aufgelegten Investitionsprogramms in einem beklagenswerten Zustand. Wirtschaftlich sind die Südkurilen in die japanische Wirtschaft integriert. Iturup und Kunaschir werden auch von Japan aus versorgt, da der Nachschub aus Russland nicht störungsfrei verläuft.
Eigentlich war die Reise auf den Archipel vor einem Monat geplant, wurde aber wegen ungünstiger Wetterverhältnisse abgesagt. Japan reagierte bereits auf das Ansinnen erbost. Das russische Außenministerium konterte, der russische Präsident müsse niemanden um Genehmigung bitten, wenn er das eigene Land bereise. Gleiches verlautete auch gestern aus dem Außenministerium.
Präsident Medwedjew scheint für den Präsidentschaftswahlkampf mit national-patriotischer Unbeugsamkeit Punkte sammeln zu wollen. Trotz der verbalen Scharmützel wollen sich Japans Regierungschef Kann und Präsident Medwedjew auf dem Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) Mitte November in Japan treffen. KLAUS-HELGE DONATH
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