: Ist der LEG-Verkauf ein Fehler?
JA
Den Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft LEG haben CDU und FDP bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Doch eine Volksinitiative macht gegen den Verkauf der über 100.000 Wohnungen mobil. Verschleudert die Landesregierung öffentliches Vermögen?
Bereits Ende 2005 hat die LEG 4.348 Wohnungen an den Finanzinvestor Fortress verkauft. Unter dem Dach der Luxemburger Gagfah-Holding gehören ihm inzwischen 151.000 Wohnungen in Deutschland, darunter die 82.000 Wohnungen der Gagfah (der ehemaligen Immobiliengesellschaft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) und die 42.000 der Woba in Dresden.
Was ist schlecht daran, dass Teile der LEG oder die ganze LEG verkauft werden, sei es an Fortress oder einen anderen Investor? Es beginnt beim Kaufpreis, über den Landesregierung, LEG und Fortress damals Stillschweigen vereinbart haben. Er betrug für die 4.348 Wohnungen gerade mal 139 Millionen Euro. Das sind 31.968 Euro pro Wohnung mit Grundstück. Hier wurde öffentliches Vermögen verschleudert, ja verschenkt.
Die Investorenfreundlichkeit geht noch weiter. Die Landesregierung hat auch zugestimmt, dass Fortress einen öffentlichen Kredit an die LEG von 18 Millionen Euro mitnehmen durfte, der lediglich zum Zins von sagenhaften 1,55 Prozent bedient werden muss. Es spricht alles dafür, dass beim weiteren Verkauf der über 100.000 LEG-Wohnungen genauso verfahren würde. Bei ihren bisherigen Käufen in Deutschland hat Fortress insgesamt 352 Millionen an öffentlichen Krediten mitnehmen dürfen. Der Staat, Bundesländer und Kommunen, die angeblich entschuldet werden sollen, subventionieren so aus Steuergeldern weitere Kredite für den Käufer.
Was die betroffenen Landesregierungen und die Bundesregierung auch verschweigen: Die Gagfah-Holding erhielt 2005 sofort eine Steuerrückzahlung von 35,6 Millionen Euro. Auch das würde beim weiteren Verkauf der LEG weitergehen. Denn die Finanzinvestoren bürden den gekauften Wohnungsgesellschaften die Kredite auf, die für den Kauf aufgenommen werden. Danach sind die Wohnungsgesellschaften hoch verschuldet. Dadurch fallen nicht nur bisherige Steuerzahlungen weg, sondern der Staat zahlt sogar Steuern zurück.
Fortress bringt gerade 20 Prozent der Gagfah an die Börse. „Das Hauptziel der Gesellschaft liegt in der Auszahlung eines erheblichen Teils ihrer Gewinne in Form von vierteljährlichen Dividendenausschüttungen.“ Erreicht werden soll dies durch „erhebliche nachhaltige Kosteneinsparungen“; das betrifft Arbeitsplätze, Instandhaltung und Investitionen. Und die Mieten sollen in den nächsten drei Jahren jeweils im Durchschnitt um 2,5 Prozent steigen, wird den zukünftigen Aktionären versprochen. Die Erfahrungen nach dem Verkauf der GSW in Berlin, der Viterra im Ruhrgebiet und der Gagfah zeigen: Arbeitsplätze werden abgebaut, Mieten werden schnell erhöht.
Werner Rügemer
NEIN
Die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen sind gewaltig, die Zahl der Wohnungen der öffentlichen Hand ebenfalls. Den 1,5 Billionen Euro Verpflichtungen der öffentlichen Hand stehen über drei Millionen Wohnungen mit einem Verkaufspotenzial von rund 160 Milliarden Euro gegenüber. Angesichts dieser Zahlen darf schon ernsthaft und seriös darüber gesprochen werden, ob beide Faktoren nicht in Einklang gebracht werden können: Wohnungsportfolien verkaufen, um den Erlös zum Wohle aller Bürger einzusetzen.
Dass dies machbar ist, verdeutlicht das Beispiel von Gagfah, Nileg und Woba Dresden. Sie waren in den letzten Jahren in einer ähnlichen Lage wie die LEG jetzt; sie hatten Eigentümer, die sich mehr oder weniger im öffentlichen Raum bewegten. Seit kurzem sind sie unter dem Hut der Gagfah Group vereint – mit Schutzregelungen für die Mieter, die bundesweit ihresgleichen suchen. Ein in ganz Deutschland beispielhafter Kündigungsschutz, Begrenzungen bei Mietanhebungen weit unter dem gesetzlich erlaubten Maß, Ausschluss von Luxusmodernisierungen und Verkaufsrabatt für diejenigen Mieter, die ihre Wohnung erwerben wollen. Politiker der verschiedensten Parteien haben diese Regelungen deshalb als Musterbeispiel für den sozialverträglichen Verkauf an einen Privatinvestor anerkannt.
Gerade in letzter Zeit wurde viel über angeblich drohende Mieterhöhungen geschrieben. Lassen wir einmal außer Acht, dass ein Großteil der LEG-Wohnungen öffentlich gefördert ist und für sie diese Möglichkeit per se ausscheidet: Mietanhebungen sind nur eine von verschiedenen Optionen für einen Vermieter, seine Einnahmen zu erhöhen. Für die Gagfah Group gehören sie nicht zum Businessplan. Wir sind an zufriedenen Mietern interessiert, die möglichst lange bei uns wohnen. Und wir setzen verstärkt auf den Abbau von Leerständen durch Investitionen und Kundenservice. Dort sehen wir den entscheidenden Werttreiber. Beispiel Woba Dresden: Die Leerstandsrate ist mit über 13 Prozent hoch. Wir werden gezielt investieren und so die Leerstände binnen weniger Jahre drastisch reduzieren.
Es gibt also seriöse Kaufinteressenten, die die soziale Brille auf keinen Fall vergessen. Ein Investor kann sozial handeln – das machen unsere Schutzbestimmungen für die Mieter, aber auch die künftige „Gagfah-Stiftung Mensch und Wohnen“ deutlich. Mit einem Barvermögen von fünf Millionen Euro ausgestattet, will sie die Jugend- und Altenhilfe vornehmlich an den Standorten der Wohnsiedlungen fördern. Ein Verkauf der LEG hätte für alle Vorteile – für Land, Käufer, Mieter, aber auch alle Menschen in Nordrhein-Westfalen.
Burkhard Drescher