piwik no script img

KabinenpredigtStrafe soll helfen

Ein wesentlicher Bestandteil des Urteils klingt mehr nach einem Scherz als nach einer Strafe: Die zweite Mannschaft des VSG Altglienicke muss die nächsten beiden Heimspiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen. Dabei bewegt sich doch das allgemeine Interesse an Kreisligapartien sowieso schon nahe am Nullpunkt.

Das Sportgericht des Berliner Fußballverbandes (BFV) urteilte am Freitagabend über nazistische Schmähungen von Zuschauern, welche die Spieler des jüdischen Vereins Tus Makkabi Berlin bei einer Partie in Altglienicke über sich ergehen lassen mussten. Über das Ausmaß der Beschimpfungen am 26. September gab es zwar äußerst konträre Zeugenaussagen, der Tatbestand an sich wurde aber auch vom angeklagten Verein nicht bestritten.

Neben der Aussperrung des sowieso kaum vorhandenen Publikums beschränkte sich das Gericht ausschließlich auf die helfende Dimension von Strafe. Es verordnete Lehrstunden und Stadionaufpasser. Spieler und Trainer vom VSG Altglienicke II müssen auf eigene Kosten an einem Seminar gegen Rassismus teilnehmen, und der Club soll künftig Ordner aufbieten, die bei rassistischen Vorkommnissen einschreiten.

Ob allein solch fürsorgliche Anweisungen von oben im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung helfen, ist fraglich. Das Gericht hat fahrlässig auf die abschreckende Dimension einer Strafe verzichtet. Denn dieses harmlose Urteil wird die Amateurvereine kaum dazu bewegen, selbst tätig zu werden, um ähnliche Vorfälle zu verhindern.

Dass dies notwendig wäre, belegt eine Studie des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Rassistische Schmähungen, heißt es da, sind zwar in Bundesligastadien zurückgegangen, in den unteren Ligen haben sie jedoch zugenommen. Es fehlt dort an Druck durch öffentliche Kontrolle.

Umso wichtiger wäre deshalb eine klare Rechtsprechung. Eine entsprechende Grundlage dafür ist dem BFV durch eine Fifa-Direktive im März dieses Jahres an die Hand gegeben worden. Alle Fußballverbände werden darin aufgefordert, Diskriminierungen im Stadion verschärft mit Geldstrafen und Punkteabzügen zu bestrafen. Der BFV hat es verpasst, im Kampf gegen jegliche Form von Diskriminierung ein klares Zeichen zu setzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen