: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Mittel gegen Neonazis? Roland Koch soll den Grundwerte-Teil seines Zuwanderungs-Fragebogens im Osten verteilen, und wer danach in Deutschland bleiben darf, hat die ganze Gnade einer modernen Demokratie erfahren
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Orhan Pamuk, Mohammud Yunus, Ban Ki Moon – in meinem Alter lernt man so viele neue Namen auch nicht mehr so schnell!
Was wird besser in dieser?
Für das Personal der ostdeutschen Nazi-Debatte kommt man weiterhin mit dem Sammelbegriff „Arschloch“ aus.
70 Prozent der Deutschen glauben, dass die Union und ihre Ministerpräsidenten nicht mehr hinter Merkel stehen, während die SPD geschlossen wirke. Stimmt das?
Kunststück, mit 5 MPs geschlossener aufzutreten als die Union mit 11. Merkels neues Mantra „Die MPs sind unsere Stärke“ versucht, den Blick zu wenden. Ihr Wort „Unsere Geschlossenheit ist nicht Gleichschaltung“ zeigt gnä’ Frau geschmacksfrei pöbelnd, aber auch die Agonie der SPD: Sozialdemokraten, die sich das Pappschild „Gleichschaltung“ umhängen lassen, sind auf Valium oder keine.
Am Samstag veranstaltet der DGB Großdemonstrationen in Berlin, Dortmund, München, Stuttgart und Wiesbaden gegen die Politik der großen Koalition. Zu Recht?
Rentenkürzung, Mehrwertsteuererhöhung, Umverteilung qua Krankenkasse – der DGB muss nicht mal polemisieren, um krasse Protestthemen zu formulieren. Seine Lähmung unter Schröder war allenfalls für die NPD und Spalter auf der Linken nützlich. Das Gedrängel der beiden Volkselefanten in der immer kleineren „Mitte“ macht ringsum reichlich Raum frei, den sinnvollerweise die Gewerkschaftsbewegung füllen kann. Eine programmatische Neuerfindung des Inhalts „Arbeitnehmerinteressen“ kann und wird der durchregierenden SPD nicht gelingen.
In Brandenburg pöbeln Rechtsextreme, in Sachsen-Anhalt taucht in einer Schule ein antisemitisches Schild auf, in Dörfern in Mecklenburg wird die NPD zur Bedrohung für die etablierten Parteien. Haben wir uns an den Rechtsextremismus vor allem im Osten zu schnell gewöhnt?
Nee, zu langsam; wir knödeln immer noch therapeutisch orientiert über Verbrechen, die unters Strafrecht fallen. Sprayen die gleichen Ich-kann-vor-Kraft-nicht-Laufen-Jungrüpel inhaltsfreie Graffiti an eine Bankfiliale, setzt es Kripozugriff und Schadenersatz gern in Richtung Neubau der Bank. Roland Koch soll den Grundwerteteil seines Zuwanderungs-Fragebogens im Osten verteilen, und wer danach in Deutschland bleiben darf, hat die ganze Gnade einer modernen Demokratie erfahren. Der Osten ist dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten.
Oder sind wir, die Medien, vielleicht Teil des Aufmerksamkeitsspiels, wenn wir solche Taten groß herausbringen?
Der Automatismus „Würze dein krankhaftes Geltungsbedürfnis mit Nazi-Tand, und du bekommst bundesweite Aufmerksamkeit“ geht auf unsere Kappe, ja.
Was kann man gegen den grassierenden Rechtsextremismus tun?
Ich halte es für ein Phänomen der Auswilderung gemeinschaftsbedürftiger Menschen in eine neoliberale Polarwelt. Man kann sich da toll entwickelte 80 Millionen Karrieristen vorstellen, die alle Aufsichtsratsvorsitzender werden. Oder man hält es mit Adenauer: „Man soll sich keine besseren Menschen wünschen – es gibt nur die.“ Sag deinen Kindern, dass nichts so schlimm ist wie lange Haare, und sie tragen sie. Sag ihnen, nichts ist so schlimm wie Nazi, und es funktioniert auch. Beides geht an den Ursachen des Konfliktes komplett vorbei. Der aber heißt: Wir sind unterwegs in eine asoziale Gesellschaft.
Im Irak sterben jede Woche hunderte Zivilisten. Auch in den Vereinigten Staaten werden die Kritiker der Bush-Politik lauter. Können, sollen sich die USA aus dem Irak zurückziehen?
Nein, ja.
Nordkorea hat offenbar eine Atombombe getestet. Wie soll die international Gemeinschaft darauf reagieren? Sind UN-Sanktionen das richtige Mittel?
Der Atomwaffensperrvertrag hängt in Fetzen. Die Logik, dass Atomwaffen ihrer schieren Existenz wegen nicht angewandt werden, scheint zu enden. Das ist ein dramatischer Epochenbruch.
Schalke 04 bekommt 60 Millionen Euro von Gazprom. Ist das ein praktischer Beitrag zur Festigung der deutsch-russischen Freundschaft – oder Bestechung?
Marktwirtschaft, da stehen die ja neuerdings voll drauf.
Und was macht Borussia Dortmund?
BVB-Geschäftsführer Watzke gibt zu Protokoll, vor rund einem Jahr ein Gazprom-Gesprächsangebot „eines hochrangigen deutschen Politikers“ abgelehnt zu haben. Könnte heißen, dass wir nicht annähernd so pleite waren wie Schalke damals. FRAGEN: SR