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Archiv-Artikel

Aus Wahn wurde Gorleben

ALTERNATIVE ENDLAGER Der Salzstock im Wendland war zunächst nur dritte Wahl

BERLIN taz | Der Komplex über dem Salzstock Gorleben war einst als nukleares Entsorgungszentrum für die Bundesrepublik geplant. Doch die Pläne für eine Wiederaufbereitungsanlage wurden ebenso aufgegeben wie die für ein nahe gelegenes AKW. Heute gibt es in der niedersächsischen Gemeinde vier Anlagen für Atomtechik: das oberirdische Zwischenlager für Castorbehälter mit hochradioaktivem Müll, eine „Fasshalle“ für schwach wärmeentwickelnden Atommüll, eine Pilot-Konditionierungsanlage, in der der Atommüll verpackt werden kann, und das Erkundungsbergwerk im Salzstock, der auf seine Eignung als Endlager geprüft wird. Alle vier Einrichtungen liegen in einem Wald, etwa zwei Kilometer südwestlich von Gorleben im Kreis Lüchow-Dannenberg. Doch als Anfang der 70er Jahre nach einem Standort für ein Endlager gesucht wurde, war Gorleben zunächst nicht einmal unter den Kandidaten.

Auf Platz eins kam im Auswahlverfahren des Bundes zunächst der Salzstock Wahn in der Gemeinde Börger im Emsland – aufgrund der „guten geologischen Voraussetzungen“ und der „geringen Besiedlungsdichte“. Die Grundeigentümerin, der gesagt worden war, dass nach Bodenschätzen gesucht werde, sah sich jedoch getäuscht und klagte. Zudem lag der Ort im Wahlkreis des einflussreichen Landtagsabgeordneten Walter Remmers; er verhinderte den Standort.

Den zweiten Platz belegte der Standort Weesen-Lutterloh in der südlichen Lüneburger Heide (Landkreis Celle). Als besonderer Vorteil galt, dass ein großer Waldbrand die benötigte Fläche bereits freigeräumt hatte. An dritter Stelle folgte Lichtenholz/Ahlden im Landkreis Nienburg.

Kriterien angepasst

Der TÜV plädierte später in einer Studie für den Ort Nieby in Schleswig-Holstein, direkt an der Ostsee im Kreis Schleswig-Flensburg. Erst später wurde Gorleben handschriftlich zur Tabelle hinzugefügt und – trotz schlechteren Abschneidens – als einziger Standort benannt.

Erleichtert wurde diese Entscheidung dadurch, dass die Geologie zunächst nur eine untergeordnete Rolle spielte. Wichtigere Kriterien waren etwa die Besiedlungsdichte und die Verkehrsanbindung. Offizielle Kriterien für ein Endlager wurden erst viel später festgelegt, nachdem die Entscheidung für Gorleben gefallen war. Kritiker bemängeln, dass diese an den Standort angepasst wurden. So wurde auf eine doppelte geologische Barriere verzichtet, nachdem klar war, dass es diese in Gorleben nicht gibt. Kürzlich kritisierte Greenpeace, dass bei einer Überarbeitung der Kriterien ein „nachvollziehbar dokumentiertes Auswahlverfahren“ – das es in Gorleben nicht gab – nicht mehr erforderlich ist. Zudem würden als Gefahr jetzt nur noch Strahlenschäden, nicht aber chemisch-toxische Gefahren des Atommülls berücksichtigt, erklärte Greenpeace-Experte Mathias Edler.

Als mögliche Alternative zur Einlagerung in Salz gilt Tongestein – dieser Weg wird in anderen Ländern wie der Schweiz verfolgt. Nach Ansicht der Bundesanstalt für Geologie und Ressourcen liegen „untersuchungswürdige“ Standorte außer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg auch in Baden-Württemberg und Bayern. In beiden Bundesländern wurden jedoch aus politischen Gründen nie Erkundungen vorgenommen. HG, MKR