: Entlassung auf Bewährung
AUS DÜSSELDORF DIRK ECKERT
Es wackelt und ruckelt. Im überfüllten Abteil suchen einige Fahrgäste nach Halt an den Griffen. Es ist voll im Sky Train, dem Flughafenshuttle, der wegen seiner vielen Pannen schon weit über die Grenzen Düsseldorfs hinaus bekannt geworden ist. Dabei ist der Sky Train, der 2002 erstmals in Betrieb genommen wurde, offiziell noch nicht mal fertig: Am 31. Dezember ist Abnahmetermin.
Aber der Sky Train fährt bereits – beziehungsweise wieder. Nur wenige Minuten braucht er für die kurze Strecke vom DB-Bahnhof zu den Flughafenterminals. Er ist der legendären Wuppertaler Schwebebahn nicht unähnlich, die ja auch an Schienen hängt. In Wuppertal allerdings gleichen die Waggons denen einer großstädtischen U-Bahn. Die Kabinen im Sky Train sind vergleichsweise klein und erinnern eher an alte Vorort-Straßenbahnwagen.
Sechzehn Sitzplätze und 64 Stehplätze hat eine Kabine im Sky Train offiziell. Wenn dutzende Urlauber mit ihren Trolleys aus den Zügen der Deutschen Bahn zum Flughafen strömen, wird es in den zwei Wagen, aus denen jeder Sky Train besteht, schnell eng. Denn natürlich wollen alle Fahrgäste die erste Fahrgelegenheit zum Flughafen erwischen. So stehen sie schon wieder dicht an dicht, wie zuvor in den Zügen der Bahn. So gesehen macht der Sky Train nichts besser, aber auch nichts schlechter.
Zwangspause
Immerhin: Es geht zügig voran. 50 Kilometer in der Stunde fährt der kleine Zug nach Firmenangaben auf der 2,5 Kilometer langen Strecke. Er bleibt heute auch nicht stehen, wie es in der Vergangenheit schon oft vorgekommen ist. Einmal, im Januar diesen Jahres, dauerte es immerhin zweieinhalb Stunden, bis die eingeschlossenen Fahrgäste aus den Kabinen befreit werden konnten. Danach war erstmal Zwangspause angesagt, die Strecke zwischen Bahnhof und Flughafen wurde mit Bussen überbrückt.
Solche Fehler haben bei Düsseldorfs erster Schwebebahn schon Tradition. Nach sechs Jahren Bauzeit 2002 in Betrieb gegangen, stand der Sky Train in seinen ersten acht Tagen gleich zwei Mal still. Nach vierzehn Tagen folgte die erste Zwangspause. Danach gab es kein Jahr ohne größeren Zwischenfall. Mal ruhte der Betrieb, weil die Fahrwerkstatik überprüft wurde – ausgerechnet am Ende der Sommerferien, die heimkehrenden Urlauber mussten sich mit Pendelbussen begnügen. Mal fiel ein Glasfaserkabel aus. Dann wurden auch noch Risse in Schweißnähten entdeckt. Die Wirtschaftspresse höhnte, der Sky Train sei ein „Sanierungsfall“.
Der Hersteller, die Firma Siemens, versprach nun eine Generalüberholung bis Ende 2006. „Wir haben in der Vergangenheit Fehler im Projektmanagement gemacht“, räumte das Unternehmen ein. Merke: in der Vergangenheit. Für die Zukunft bemüht Siemens lieber Worte wie „Verbesserungskonzept“ oder „klare Vorgaben“. Der Sky Train selbst ist im Siemens-Wortschatz flugs zur „zweiten Generation des Sky Train“ mutiert. Der neue Zug, der doch eigentlich der alte ist, ist technisch überholt. Nun soll er 50 statt 40 Stundenkilometer fahren und damit mehr Passagiere transportieren. Außerdem wurde das Betriebsmanagement verbessert. Bleibt der voll automatisierte Zug mal stehen, kann ein Fahrer zusteigen. Darüber hinaus steht ein Abschleppzug bereit, um den liegen gebliebenen Himmelstürmer zur nächsten Haltestelle zu ziehen.
Regungslos an der Schiene
„Wenn das Fahrzeug länger als fünf Minuten steht, rückt ein zweites Fahrzeug aus“, beschreibt Siemens-Sprecher Dirk Ehrat die neuen Regeln. „Nach maximal 20 bis 25 Minuten müssen die Passagiere aus ihren Kabinen ‘raus können.“ Am Flughafen angekommen, würden die Verspäteten dann von eigens abgestelltem Personal empfangen, das dabei hilft, die Weiterreise zu planen. „Es gibt kein technisches System, das fehlerfrei läuft“, weiß Ehrat. Wichtig sei, wie mit etwaigen Fehlern umgegangen werde.
Soweit das Konzept. In der Praxis erlitt die Schwebebahn nur vier Tage nach ihrer Sanierung wieder eine Panne. Am 20. September 2006 hing der Zug mal wieder regungslos an seiner Schiene. Es kam noch schlimmer: Das neue Betriebsmanagement versagte. 46 Minuten mussten die zwanzig Passagiere warten, bis sie wieder festen Boden unter die Füße bekamen. Diesmal war es ein Fehler eines Mitarbeiters, hieß es hinterher. Anstatt, wie vorgeschrieben, die eingeschlossenen Fahrgäste zu befreien, hätte sich die Leitzentrale viel zu lange damit beschäftigt, den technischen Fehler zu suchen, musste die Firma Siemens zerknirscht eingestehen.
Wegen all dieser Pannen hatte die Stadt Düsseldorf, die Miteigentümerin des Flughafens ist, sogar gedroht, den Zug nicht abzunehmen. Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) gab dem Sky Train noch im Jahr 2005 „keine Zukunft mehr“. Kurz vor der geplanten Abnahme am Jahresende ist davon aber keine Rede mehr. Ein Sprecher der Stadt verweist kurz angebunden auf den Flughafen. Dort geht man davon aus, dass Siemens zum 31. Dezember einen abnahmefähigen Sky Train präsentiert. „Wir haben keine Anhaltspunkte, dass Siemens den Vertrag nicht erfüllen kann“, so Sprecherin Sonja Schröder. Auch Siemens geht davon aus, sein Produkt endlich verkauft zu bekommen. „Wir gehen davon aus, dass der Sky Train abgenommen wird“, sagt Sprecher Ehrat. Akzeptiert der Flughafen den Sky Train, bekommt Siemens die letzten 10 von insgesamt 87 Millionen Euro, die das Unternehmen für den Sky Train berechnet hat.
Grundsätzlich steht der Zug wegen seiner Pannen aber nicht in Frage. „Jedes technische System kann mal eine Panne haben“, sagt Flughafen-Sprecherin Schröder. Um zu verhindern, dass Siemens dem Flughafen einen Zug andreht, der nur bei der Abnahme fährt, gebe es Regelungen zur Zuverlässigkeit, erläutert Schröder. So müsse Siemens bei der Abnahme nachweisen, dass der Sky Train tatsächlich eine geforderte Zeit im Einsatz war.
Geldverschwendung
Außerdem soll der Sky Train zum Beispiel 2.000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung transportieren können, erläutert Schröder. Insbesondere Pannen wie die im Januar 2006 dürften nicht mehr vorkommen. Zweieinhalb Stunden im Abteil eingeschlossen – „das kann nicht sein“, empört sich Schröder. „Die Passagiere müssen Priorität haben.“ Da habe Siemens aber auch nachgebessert.
Auch Sky-Train-Kritiker sehen in der Pannenserie nicht das Hauptproblem. „Das System ist nicht anfälliger als eine normale Bahn-Strecke“, sagt zum Beispiel Iko Tönjes vom NRW-Verband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). „Die Störungen werden auch ein bischen hoch gehängt“, findet er. Am Sky Train selbst hat Tönjes nichts auszusetzen. „Der ist sogar in gewisser Weise eine touristische Attraktion“, lobt er.
Sein Problem mit der Schwebebahn ist ein anderes. Der Zug ist nicht kompatibel mit der Düsseldorfer Straßenbahn. Dank des Sky Train kommen Fahrgäste vom Flughafen zum nächsten Bahnhof. Aber die nahe liegende Messe ist nicht an die Bahn angeschlossen. Tönjes hätte deshalb eine Verlängerung der städtischen U-Bahn 81 besser gefunden. Dann gebe es jetzt eine Verbindung von der Stadt über die Messe und den Flughafen bis zum Flughafenbahnhof, argumentiert er. Genau dieses Vorhaben ist noch immer in der Diskussion. Sollte die U81 eines Tages verlängert werden, wäre der Sky Train umsonst gebaut worden. Eine Verschwendung von Steuergeldern, findet Tönjes. Er glaubt aber nicht, dass es in absehbarer Zeit dazu kommt. Denn vom Land gebe es heutzutage keine Zuschüsse mehr für Projekte wie den U-Bahn-Bau. „Die Gelegenheit wurde verpasst“, ist Verkehrsexperte Tönjes überzeugt.