: Köln tarnt Müllofen
Umweltsauerei oder ökologischer Fortschritt? Nach Lünen soll nun auch in Köln ein Biomasse-Kraftwerk entstehen. Dies sei nur eine getarnte Müllverbrennungsanlage, warnen Kritiker
VON FRANK ÜBERALL
Köln droht ein neuer Müllskandal. Ausgerechnet in der Domstadt wird derzeit der Bau eines neuen Müllofens geplant. Konkret soll für 50 Millionen Euro ein „Biomasse-Kraftwerk“ entstehen – ein großer Schwindel, sagen Kritiker. Die Vorbereitungen für die Anlage laufen auf vollen Touren. Die Abfallverwertungsgesellschaft (AVG), die Betreiberin der umstrittenen ersten Müllverbrennungsanlage hat bereits ein Gutachten dazu erstellt. Die Details sind bisher geheim. Die AVG-Spitze hat alle Mitglieder des Aufsichtsrats zum Stillschweigen verdonnert. Ein Maulkorb für die Kommunalpolitiker.
Köln ist kein Einzelfall: Wenn es nach der nordrhein-westfälischen Müll-Lobby geht, sollen in den nächsten Jahren zahlreiche solche getarnten Verbrennungsanlagen an Rhein und Ruhr entstehen. Hinter den Kulissen versuchten einflussreiche Kräfte, Kommunalpolitiker vom Sinn der vorgeblichen Bio-Öfen zu überzeugen. „Das wird den Leuten unter dem wohl klingenden Namen Biomassekraftwerk schmackhaft gemacht“, kritisiert Claudia Baitinger vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Tatsächlich handle es sich oft um reine Müllverbrennungsanlagen. „Die Gefahr ist, dass ein Biomassekraftwerk genehmigt und gebaut wird – und es später durch eine einfache Umwidmung auch zur Verbrennung von Klärschlämmen und anderem Abfall verwendet wird“, warnt die BUND-Sprecherin. In zwei Fällen unterstützt der Verband deshalb bereits Kläger gegen solche Anlagen.
Den Prüfauftrag an die Verwaltung für die Anlage in Köln erteilte der Stadtrat auf Antrag der CDU im November 2005. „Wir rechnen damit, dass die Planungen bis Ende des Jahres positiv abgeschlossen werden“, so CDU-Fraktionsgeschäftsführer Josef Müller. Wer gegen die Anlage sei, habe wohl Probleme mit „technischen Neuerungen“.
Hinter der „Biomasse“, von der nun in dem AVG-Gutachten die Rede ist, verbergen sich unter anderem Sperrmüll und Bahnschwellen. 170.000 Tonnen im Jahr sollen davon verfeuert werden. Es bestehe die Gefahr, dass hier auch „mit hochgiftigen Chemikalien belastete Althölzer“ verbrannt werden, warnt Rainer Zinkel von der Kölner Interessengemeinschaft Müllvermeidung statt Müllverbrennung (KIMM).
Zinkel kündigte den Protest der Initiative gegen die „Mogelpackung“ an, mit der der Industrie nur billige Entsorgungsmöglichkeiten verschafft werden sollten. Tatsächlich ist nach dem Deponierungsverbot der Bedarf der Industrie nach billigen Entsorgungskapazitäten groß. Befriedigen sollen ihn die Kommunen, in dem sie über Gebührengelder neue Anlagen finanzieren. Was dabei an Überkapazitäten entsteht, wird dann auf dem freien Markt zu Spottpreisen angeboten – und die Steuerzahler subventionieren somit indirekt den europaweiten Mülltourismus. „Das ist eine gezielte Verzerrung des Wettbewerbs“, sagt Hans-Günter Fischer vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) in Bonn.
Verhindern lassen sich solche Mega-Öfen jedoch nur selten. Im westfälischen Lünen kämpfte eine Bürgerinitiative jahrelang vergeblich gegen ein Biomassekraftwerk. „Wir sind resigniert“, so Sprecher Gerhard Helms. Kölns Stadtpolitiker sind deshalb schon nach Lünen gepilgert, um das Projekt zu kopieren.