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Archiv-Artikel

Eine Milliarde fürs Haushaltsloch

FINANZEN Berlin nimmt mehr Steuern ein als erwartet. Das Land kann 1 Milliarde Euro weniger Schulden machen. Senat will aber weiter sparen, CDU und Grüne wollen das auch

„Das U-Boot hat sich stabilisiert und fängt in der Tendenz an, wieder zu steigen“

FINANZSENATOR NUSSBAUM

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Gut gelaunt präsentierte sich Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) am Freitagvormittag der Presse. Der Herr über die leere Landeskasse hatte ausnahmsweise mal eine frohe Botschaft zu verkünden: Weil Berlin im Jahr 2010 deutlich mehr Steuern einnehmen wird als erwartet, muss das Land statt, wie bislang angenommen, 2,8 Milliarden Euro nur 1,7 Milliarden Euro neue Schulden machen. „Das ist erfreulich“, so Nußbaum. Die Hoffnung, dass es mehr zu verteilen gibt, wollte er aber gar nicht erst aufkommen lassen: „Wir brauchen jede Million Euro, um den Haushalt zu konsolidieren.“

Berlin hat im Jahr 2010 rund 22 Milliarden Euro Ausgaben. Dem stehen nach der neuen Steuerschätzung nun etwas über 20 Milliarden Euro an Einnahmen gegenüber. Die Steuern und die Gelder aus dem Landesfinanzausgleich machen davon 14,1 Milliarden Euro aus. Im Vergleich zu 2009 haben die Steuereinnahmen damit um 3,5 Prozent zugenommen. Die Finanzverwaltung rechnet damit, dass sie auch weiterhin steigen und 2012 mit 14,8 Milliarden Euro wieder in etwa das Niveau des Rekordjahrs 2008 erreichen werden.

Nußbaum betonte, dass die bisherigen Steuerschätzungen unter dem Eindruck der Krise entstanden und daher zu negativ waren. Der allgemeinen Euphorie über vermeintliche bundesweite Mehreinnahmen könne er sich nicht anschließen. Der Finanzsenator, der lange in Bremen mit Tiefkühlfischen handelte, wählte ein maritimes Bild, um die Entwicklung zu veranschaulichen. „Das U-Boot sinkt nicht weiter. Es hat sich stabilisiert und fängt in der Tendenz an, wieder zu steigen.“

Berlin auf Diät

Um sich an die vom Bund beschlossene Schuldenbremse zu halten, will er die Ausgaben Berlins auf dem jetzigen Niveau „einfrieren“. Der Senator sagte: „Wir sind ab sofort auf Diät.“ Er rechnet damit, dass die Einnahmen in den nächsten Jahren kontinuierlich weitersteigen. Dann müsste Berlin im Jahr 2020 – wie bei der Schuldenbremse vorgesehen – keine neuen Kredite aufnehmen.

Ohne Bundesbeschlüsse wie das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hätte Berlin die Wirtschaftskrise noch viel besser weggesteckt, ist sich der Finanzsenator sicher. Die Ausfälle an Steuereinnahmen der letzten Jahre seien zu zwei Dritteln auf die Steuerrechtsänderungen und nur zu einem Drittel auf die Krise zurückzuführen. Zu Möglichkeiten des Landes, die Einnahmen zu steigern, sagte Nußbaum, die Einführung einer sogenannten City Tax für Touristen, die in Berlin übernachten, sei „eine Option“. Allerdings müsse sie so gestaltet werden, dass das Finanzgericht sie nicht wieder kippen könne.

Keine Entwarnung

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) teilte angesichts der neuen Steuerschätzung mit, es gebe keinen Grund zur Entwarnung, der Konsolidierungskurs werde fortgesetzt. Rot-Rot werde den Bürgern weiterhin Lasten und Einschränkungen zumuten. „Klar ist aber, dass es dabei sozial gerecht zugeht.“

Auch bei der Opposition rennt Sparsenator Nußbaum offene Türen ein. Der CDU-Haushaltspolitiker Florian Graf forderte, zusätzliche Ausgaben zu vermeiden. „Von dieser Steuerschätzung kann und muss das Signal einer deutlichen Schuldensenkung in Berlin ausgehen.“

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Jochen Esser, sagte, das Defizit des Landes müsse jährlich um rund 150 Millionen Euro sinken, um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen. Er forderte einen Nachtragshaushalt für 2011. „Dass das ein Wahljahr ist, darf keine Ausrede sein.“