: Luftholen gefährdet die Gesundheit
ATMEN II Zu viel Feinstaub ist in Peking der Normalzustand. Das zeigt nun eine Auswertung
PEKING taz | Tage mit Feinstaubwerten von unter 50 Mikrogramm pro Kubikmeter – die gibt es in Peking nur noch sehr selten. Die beiden in der chinesischen Smoghauptstadt stationierten Korrespondenten des Wall Street Journal, Wayne Ma und Te-Ping Che, haben sich die Mühe gemacht und zwischen Anfang April 2008 bis Ende März 2014 sämtliche Tage zusammengezählt, an denen der Feinstaubwert bei unter 50 Mikrogramm gefährlich kleiner Partikel pro Kubikmeter Luft lag.
Die Bilanz ist erschreckend: Von den insgesamt 2.028 Tagen waren gerade einmal 25 Tage „gut“. An allen anderen Tagen lag der Feinstaubwert stets über 50 Mikrogramm. An vier von fünf Tagen lagen die Werte bei 100 Mikrogramm und drüber. An 311 Tagen war die Luft „sehr ungesund“, was Werte von über 150 entspricht, an 94 Tagen lagen die Werte sogar bei über 300. Experten sprechen dann von „gefährlich“ und raten allen, nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Unvergessen für die meisten Pekingerinnen und Pekinger ist der Wert vom 17. Januar 2013, als er sogar bei über 800 lag. Einige Messstationen konnten diesen Wert gar nicht mehr erfassen.
Die beiden Journalisten beziehen sich auf Messungen der US-Botschaft. Deren Mitarbeiter hatten im Frühjahr 2008 eine Messstation auf dem Dach installiert. Seitdem werden stündlich die Werte automatisiert über Twitter bekanntgegeben. Obwohl der US-amerikanische Kurznachrichtendienst in China offiziell blockiert ist, zählt @Beijing Air mehr als 36.000 Follower. Sie rufen den Dienst über einen Proxyserver im Ausland ab.
Die chinesischen Behörden hatten sich anfangs über die US-Messungen beschwert und sahen darin einen „Eingriff in die innerchinesischen Angelegenheiten“. Doch weil nicht nur Ausländer, sondern auch immer mehr Pekinger die Messungen der US-Botschaft abriefen und sie über die diversen chinesischen Kurznachrichtendienste millionenfach weiterverbreiteten, veröffentlichen seit zwei Jahren auch die Behörden all ihre Feinstaubmessungen. Inzwischen sind sämtliche Städte in China sogar dazu verpflichtet, stündlich Messungen vorzunehmen und sie übers Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
FELIX LEE