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Archiv-Artikel

„Gut, dass die Politik nicht dabei war“

Obwohl seine Hochschule aus der Elite-Auswahl flog, will Aachens Rektor Rauhut, dass allein die Wissenschaft über die Exzellenz der Unis entscheidet

INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER

taz: Herr Rauhut, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen galt als sicherer Kandidat dafür, Elite-Universität zu werden. Jetzt haben drei Süd-Unis den Zuschlag bekommen – und Ihre renommierte Hochschule ist leer ausgegangen. Was ist da passiert?

Burkhart Rauhut: Wir sind gut, dass wissen wir. Aber wir haben offenbar die ausländischen Gutachter nicht von unserer Stärke überzeugen können.

Warum nicht?

Wenn wir das schon wüssten. Leider haben wir noch keine Rückmeldung bekommen. Der scheidende Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, Ernst-Ludwig Winnacker, hat angeboten, dass wir die Gründe dargelegt bekommen. Das werden wir aufmerksam lesen – und es in der zweiten Runde noch besser machen.

Aber man hat Sie doch ausführlich angehört.

Ja, wir wurden gefragt, wir haben geantwortet – aber Reaktionen oder Feedback gab es nicht. Das ist vielleicht ein Kritikpunkt, den wir haben: Wir kennen bislang die Auswertung nicht.

Wie ist die Stimmung an Ihrer Hochschule?

Ich müsste lügen, wenn ich sagen wollte, wir seien nicht enttäuscht. Andererseits haben wir gute Grundlagen geschaffen. Immerhin wurden zwei Forschungsschwerpunkte und eine Graduiertenschule sehr positiv bewertet. Das ist mehr als Karlsruhe und genauso viel wie die TU München erreicht hat. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Wo lag der Fehler: Bei Ihrer Bewerbung – oder bei der Politik und den Gutachtern, die angeblich eng verbandelt sind mit den Münchener Universitäten?

Nein, die Politik war nicht beteiligt, und das ist ja auch gut so. Ich glaube, bei diesem ersten Mal bestand das Manko darin, dass es kein gemeinsames Verständnis dafür gab, was die Gutachter erwarten. Insofern ist das immer ein Vabanque-Spiel. Vielleicht haben wir unsere Bewerbung zu ingenieursmäßig angelegt.

Was meinen Sie damit?

Wir haben mit unseren technischen Kernkompetenzen gewuchert. Möglicherweise hätten wir das Spektrum erweitern sollten. Unsere erfolgreichen Forschungscluster waren die integrierte Produktion in Hochlohnländern und die ultraschnelle mobile Information und Kommunikation. Das prämierte Graduiertenkolleg stammt aus dem Bereich des Computational Engineering, also die gesamte Bandbreite der mathematische Anwendungen für ingenieurwissenschaftliche Probleme. In den Disziplinen sind wir also ausgezeichnet. Aber für das Zukunftskonzept einer Elite-Universität hat das – noch – nicht ausgereicht.

Wo liegt der Schaden, der jetzt entsteht?

Ich finde das entgangene Geld gar nicht so schlimm. Dann macht man halt die Sachen nicht, die wir als Gesamtuniversität geplant haben. Zudem erhalten ja die Schwerpunkte und die Doktorandenschule ihre Elite-Zuschüsse von 14 Millionen Euro jährlich.

Also, wo ist das Problem?

Das Image! Ich war kürzlich in Korea. Es ist kaum vorstellbar, wie genau das deutsche Elite-Programm dort verfolgt wird. Die wollen sogar so etwas Ähnliches nachmachen, weil sie sehen, welche Dynamik in den Hochschulen und bei der Forschung durch die Exzellenzinitiative ausgelöst worden ist.

Nicht allein für die RWTH Aachen, für das ganze Land Nordrhein-Westfalen ist die Elite-Bilanz wenig schmeichelhaft. Neben Ihnen haben nur Bonn und Bochum noch Einzelprojekte durchbekommen. Das ist doch zu wenig für das Bundesland mit den meisten Hochschulen und den meisten Studenten, oder?

Vielleicht ist das auch ein Teil des Problems. Wir haben sehr wohl die meisten Hochschulen in Nordrhein-Westfalen – und das bedeutet zugleich auch, dass wir das Geld am breitesten verteilen müssen. Da besteht die Gefahr, dass die Wirkung verpufft. Ich habe den Eindruck, im Süden wird das deutlicher konzentriert.

Meinen Sie, dass die Finanzen in Bayern auf weniger Studenten oder auf weniger Hochschulen konzentriert werden?

Weniger Hochschulen. Die Ludwig-Maximilians-Universität ist eine exzellente Uni – und sie ist riesengroß.

Es gab massive Kritik am Auswahlverfahren. Mancher Wissenschaftsminister hat der DFG gar Seilschaften mit dem Süden unterstellt. Ist da was dran oder ist das die Wut des Enttäuschten?

Ich kann das nicht nachvollziehen. Vielleicht ist es die Frustration der Politiker, dass die Wissenschaftler-Jury ihnen nichts zum Entscheiden übrig gelassen hat.

Wie das?

Es war vereinbart, dass drei Gruppen von Kandidaten gebildet werden. Klares Ja, klares Nein – und Wackelkandidaten, bei denen die Politik dann entscheiden sollte, ob sie noch als Elite-Uni über die Linie gehen oder nicht. Nur – es gab keine Zweifelsfälle. Jetzt ist die Politik verstimmt. Obwohl es dem Geist des Elite-Wettbewerbs entspricht und ja auch sinnvoll ist, dass die Wissenschaft und nicht die Politik definiert, was exzellent sein soll.

Sie sind also restlos zufrieden mit dem Verfahren?

Nein, das kann man nicht sagen. Ich verstehe nicht, warum es zwei Runden bei der Eliteauswahl gibt.

Immerhin eine zweite Chance für Sie!

Mag sein. Aber die ganze Anlage des doppelten Durchlaufs ist seltsam. Es hat unterschiedliche Kenntnisstände der Beteiligten zur Folge. Und: Wer ist denn besser? Gibt es jetzt Elite-Universitäten ersten und zweiten Grades? Das wäre ja gerade so, als wenn man im Fußball ausscheidet – und doch noch eine Chance bekommt.

Jetzt sind Sie doch beleidigt, dass Sie nicht Champions-League spielen, sondern über den steinigen Weg der Qualifikation über den Uefa-Cup nachrücken müssen.

Nein, nein. Die DFG sagt, es sind nur drei Unis Spitze. Jetzt aber ist es nicht mehr vergleichbar. Der eine spielt im Winter, der andere im Sommer.

Ihr Land macht gerade eine depressive Phase durch. Der Landeshaushalt schreibt tiefrote Zahlen, die dringend nötigen Bauzuschüsse des Bundes für die Hochschulen fallen für Nordrhein-Westfalen sehr dürftig aus. Was sagen Sie als gescheiterter Hoffnungsträger den Menschen an Rhein und Ruhr?

Wir machen natürlich weiter. Wir rechnen uns noch etwas aus! Das Land unterstützt die Wissenschaft, indem nicht weiter gekürzt wird. Und wir hoffen, dass die Politik sich mal wirklich traut, Gewichte zu verschieben.

Sie meinen: neue Prioritäten im Haushalt, mehr Geld für Forschung und Zukunft?

Das wäre unsere mittelfristige Erwartung. Aber wir wissen, wir sind eine Minderheit, die Politik achtet auf Mehrheiten, auf Wähler.

Als Politiker würde ich jetzt sagen: Ihr seid weltbekannt, ihr hattet eure Chance. Und jetzt, da ihr es nicht gepackt habt, kommt ihr wieder zu uns.

Nö, wir jammern gar nicht. Es geht uns um die Sichtbarkeit nach außen. Es spielt nun mal eine Rolle, ob man in Asien und der Welt als Hochschule Nordrhein-Westfalens wahrgenommen wird – oder nicht. Deswe- gen wollen wir erfolgreich dabei sein, wenn nächstes Jahr die zweite Exzellenzinitiative stattfindet.