: Kleinbauern ins Kriegsgebiet?
ENTWICKLUNGSHILFE Die GTZ soll bei der Erstellung eines „Umweltordnungsplans“ zur Ansiedlung von Bauern in einem Nationalpark in Kolumbiens Bürgerkriegsgebiet helfen
VON GERHARD DILGER
PORTO ALEGRE taz | Für die deutschen kirchlichen Hilfswerke hatte Dirk Niebel (FDP) in Kolumbien gestern keine Zeit. Während Vertreter der Diakonie Katastrophenhilfe, der Caritas und von Misereor seinen Beamten in Bogotá einen höchst kritischen Bericht über die Lage im Kriegsgebiet Macarena überreichten, führte der Entwicklungsminister Gespräche im Präsidentenpalast.
Überschattet ist Niebels zweitägiger Staatsbesuch in Kolumbien von der Kontroverse über ein geplantes deutsches Projekt im Macarena-Nationalpark, einem Mikrokosmos des jahrzehntelangen Mehrfrontenkriegs in Kolumbien. Farc-Rebellen, Paramilitärs und Armee, die alle am boomenden Kokainhandel beteiligt sind, liefern sich dort regelmäßig Gefechte, die Landbevölkerung steht zwischen den Fronten. Hunderte Kleinbauern wurden massakriert, zehntausende wurden vertrieben. Immer wieder werden Massengräber entdeckt, mit toten Guerilleros, aber auch mit zivilen Opfern außergerichtlicher Hinrichtungen.
Ausgerechnet dort soll die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ab 2011 ein 500.000 Euro teures Beratungsprojekt umsetzen. Zwei Jahre lang will man an der „partizipativen Erstellung eines Umweltordnungsplans“ mitwirken. Aus Sicherheitsgründen soll das Projekt aus der fernen Provinzhauptstadt Villavicencio koordiniert werden.
Niebels mitreisender Abteilungsleiter Harald Klein (FDP) beteuert, durch das Projekt wolle man die Vergabe von Landtiteln an Kleinbauern vorbereiten, um zu verhindern, dass diese ins Drogengeschäft oder zur Guerilla gezwungen würden. Warum die Bauern ausgerechnet im Nationalpark angesiedelt werden sollen, bleibt unklar. An dem Projekt, das die GTZ im September vorschlug, wird offenbar noch mit heißer Nadel gestrickt.
Die deutschen NGOs, die letzte Woche Vertreter auf Erkundungsmission in das weitläufige Gebiet der südöstlichen Tieflandprovinz Meta geschickt hatten, lehnen das deutsche Engagement in der geplanten Form ab. Sie plädieren für den absoluten Vorrang der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Besonders problematisch finden sie die Anbindung des GTZ-Vorhabens an den „Plan zur Integralen Konsolidierung der Macarena“ – ein Aufstandsbekämpfungsprogramm, das die kolumbianische Regierung mit US-Militärs entwickelt hat.
„Der Plan ist sehr militärisch geprägt, und die Organisationen der Bevölkerung werden durch das Vorgehen von Militär und Polizei geschwächt“, sagt der für die Region zuständige katholische Bischof José Figueroa. Gegen Alternativprojekte zum Kokaanbau hat er nichts, doch „bisher funktionieren die einfach nicht“. Den Deutschen empfiehlt der langjährige Misereor-Partner ausdrücklich, den Plan nicht zu unterstützen.
„Wer angesichts der Vertreibungen auf die Schnelle Landrechte festschreiben will, läuft Gefahr, vergangenes Unrecht zu zementieren“, kritisiert Christiane Schwarz von der Menschenrechtsgruppe Kolko. „Der Konsolidierungsplan ist klar ein militärisch-ziviles Projekt. Das ändert sich auch nicht, wenn nun ständig wiederholt wird, dass die deutsche Zusammenarbeit zivil sei.“
BMZ-Abteilungsleiter Klein unterstellt den Aktivisten einen „undifferenzierten Blick auf die Situation“ und wirft ihnen sogar vor, sie urteilten, „ohne die Gegend zu kennen und mit den Betroffenen gesprochen zu haben“. Nächste Woche will er ins Kriegsgebiet fahren.
Niebel hat seinen Kurswechsel seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr geplant. „Mit Kolumbien sollten wir ideologiefreier umgehen“, erklärte er damals, parallel dazu wies er die GTZ-Experten in Bogotá an, seine Vorgaben umzusetzen. In einem GTZ-Gutachten, das der taz vorliegt, benennen diese klar die Risiken, etwa, dass „Partner und Zielgruppen zum Ziel von illegalen Akteuren werden könnten“. Es sei sogar denkbar, dass die GTZ-Arbeit in ganz Kolumbien kompromittiert werde.