: In welcher Schicht lebe ich eigentlich?
Ob ich auch morgen noch zur Mittelschicht gehöre? Oder bin ich heute schon Unterschicht? Gehört mein Nachbar wirklich zur Oberschicht? Die aktuelle soziale Verunsicherung beschäftigt derzeit viele Menschen. Die taz bietet Orientierung in wenigen Minuten – mit dem Schnelltest zur Selbsteinstufung
VON BARBARA DRIBBUSCH
Anleitung: Bei jeder Frage entscheiden Sie sich für eine Antwort, die Ihnen am nächsten kommt. Am Ende zählen Sie die Buchstaben durch und schauen, welcher am häufigsten bei Ihnen vorkommt. Schauen Sie dann in die entsprechende Kategorie, je nachdem, ob Sie mehr ein A-, B- oder C-Typ sind.
1. Soziale Wahrnehmung
„Unterschicht“, das sind für mich …
❍ … langzeitarbeitslose Facharbeiter auf Hartz IV, die NPD wählen. (B)
❍ … Schwarzafrikaner, die halb verdurstet mit Schlauchbooten Teneriffa erreichen, um in Europa zu arbeiten. (A)
❍ … abgehalfterte Fernsehschauspieler, die in Fernseh-Talkshows bei RTL II 15 Jahre zurückliegende Liebesaffären „gestehen“. (C)
2. Sprachvermögen
❍ Sie sprechen eine Mischsprache aus Deutsch und Englisch, denn es ist einfach praktischer, so das Team im Meeting über die USP des Products zu briefen, so dass Sie schnell auf die Clicking-Frage kommen können und das consumer feedback nicht out of focus gerät. (B)
❍ Sie sprechen eine Mischsprache aus Deutsch mit nichtdeutsch geprägter Verkürzungsgrammatik, denn hey Alter, brauchst du nicht Goethe, versteht man alles auch so. (A).
❍ Sie lesen Ihre Romane im Original und auf Französisch, schließlich waren Sie auf Schweizer Internaten und Französisch war in früheren Jahrhunderten schon die Sprache der europäischen Oberschicht. (C)
3. Geistiger Hintergrund
Sie lesen derzeit …
❍ … „Lob der Disziplin“ von Bernhard Bueb, denn es ist gut, dass einer die wichtigen inneren Werte mal wieder auf den Punkt bringt, wobei man das ganze Buch glücklicherweise nicht zu Ende lesen muss, denn der Klappentext reicht. (B)
❍ … Park Avenue, weil man in dem Magazin erfährt, wen manche Journalisten in Deutschland gerade für die Oberschicht halten, kicher, kicher. (C)
❍ … die Bewerbungsbroschüre vom Arbeitsamt, die man Ihnen dort kostenlos in die Hand gedrückt hat. (A)
4. Musikalische Bildung
❍ Sie üben abends Bach-Fugen auf dem Wohltemperierten Klavier, denn das macht schlau. (B)
❍ Sie legen auf der Playstation zu Hause „Sing Star“ ein, dabei wird grafisch angezeigt, ob Sie beim Mitsingen die Töne richtig treffen. Auch die Beatles brauchten schließlich keine Noten. (A)
❍ Sie überlegen ab und an, ob Sie Ihren geerbten Steinway-Flügel B 211 nicht für einen guten Zweck spenden sollten, aber allein schon das Ding abtransportieren zu lassen ist ja ein Riesen-Act. (C)
5. Klamotten
❍ Sie geben einiges Geld aus für Ihre Boss-Anzüge, denn damit signalisieren Sie Ihren Auftraggebern auf diskrete Weise Ebenbürtigkeit. (B)
❍ Sie kombinieren raffiniert Schals von Burberry mit Cordjacken von H & M, man muss ja nicht immer zeigen, dass man es dicke hat. (C)
❍ Sie lassen sich nachgemachte Prada-Handtaschen aus Südeuropa mitbringen, so ist für alle erkennbar, dass Sie den globalen Markenwahnsinn raffiniert subvertieren. (A)
6. Arbeitsvermögen
❍ Sie können acht Stunden hintereinander mit nur kleinen Pausen stehen und dabei Currywurst mit Pommes verkaufen (A)
❍ Sie können zehn Stunden hintereinander sitzen und in einen Computer gucken (B)
❍ Sie können drei Tage hintereinander liegen und in den sonnigen Himmel schauen, auch wenn die Hobby-Prominentenjäger lästig sind, die in der Nähe lauern und versuchen, mit ihrem Handy ein exklusives Bild von Ihnen zu schießen und dann exklusiv an die Bild-Zeitung zu verkaufen. (C)
7. Arbeitsmoral
❍ Arbeiten ist für Sie so wichtig, dass Sie sogar als Flüchtling ohne Arbeitserlaubnis Pizza in Schwarzarbeit ausfahren und dabei immer aufs Neue die Angst bewältigen müssen, von der Ausländerpolizei erwischt zu werden. (A)
❍ Für Sie sind ehrlich arbeitende Menschen immer ein paar warme Worte wert. Gerne loben Sie auf Ihren Reisen gegenüber Ihren Geschäftspartnern die Eleganz der italienischen Kellner in Rom oder die Geschicklichkeit hispanischer Tüteneinpacker in New York.(C)
❍ Sie sind abends immer zwei Stunden länger im Büro, damit der Chef Ihres Chefs merkt, wie hochmotiviert und aufstiegsorientiert Sie sind. (B)
8. Wohnsituation
❍ Sie leben in einer Mietwohnung und planen einen Immobilienkauf (B)
❍ Sie leben in einer Villa. (C)
❍ Sie leben in einer großen Villa mit Garten, sogar mietfrei, allerdings im Souterrain. Ihr gebrechlicher Arbeitgeber findet es gut, dass Hausangestellte heutzutage wieder öfter in den Häusern ihrer Herrschaft mitwohnen, um rund um die Uhr verfügbar zu sein. (A)
9. Reisen
❍ Sie reisen schon geschäftsbedingt viel durch die Welt – deswegen verbringen Sie zur Erholung mit ihrer Geliebten/ihrem Liebhaber ein paar freie Tage lieber in der diskreten Alkoven-Suite des Brenners-Park-Hotel & Spa in Baden-Baden. (C)
❍ Sie fahren mindestens einmal im Jahr in ein Nicht-EU-Land mit Meeresstrand, all inclusive, zum Sonneauftanken. (B)
❍ Sie fahren auch gerne in ein Nicht-EU-Land, müssen dann aber immer viele Geschenke mitnehmen, weil Sie Ihre Herkunftsfamilie besuchen. (A)
10. Soziale Einstellung
Was ist für Sie die wichtigste soziale Institution?
❍ Die Arbeitsagenturen, denn Hartz IV kriegt jeder, das gibt’s ja kaum in einem anderen Land. (B)
❍ Die Spendenaktionen des Lions Clubs. (C)
❍ Aldi, denn dort können auch Langzeiterwerbslose Kaufentscheidungen treffen. (A)
11. Wohlfahrt
❍ Sie spenden mehrmals im Jahr für Unicef, denn den Leuten in den armen Ländern geht es wirklich dreckig. (B)
❍ Sie geben einmal im Jahr einen Wohltätigkeitsball, um für Unicef Spenden zu sammeln. (C)
❍ Sie kaufen im Secondhandladen einer Wohlfahrtsorganisation Klamotten, irre, was die Leute dort so abgeben. (A)
12. Soziale Feinjustierung
Sie sehen einen Mann in Tarnuniform aus dem Auto steigen, in Begleitung eines Hundes. Was denken Sie?
❍ Ein Skin, nichts wie weg! (A )
❍ Die Bundeswehr, sind die nicht in Afghanistan? (B)
❍ Sie erkennen den Deerhunter-Jagdanzug „Advantage timber“ für Hobbyjäger, offenbar kommt der Mann von der Wildschweinjagd. (C)
13. Altersvorsorge
Was ist Ihre Altersvorsorge ?
❍ Die Einhaltung des Bankgeheimnisses in der Schweiz und in anderen Ländern, sonst Gnade mir Gott. (C)
❍ Meine Riester-Rente. (B)
❍ Die Erde meines Kleingartens, dort kann ich Blumenkohl ziehen. (A)
Eher Typ C: Sie sind Hochstapler – oder wirklich Teil der Oberschicht. In Deutschland gilt schon als als reich, wer ein doppeltes Netto-Einkommen vorweisen kann, durchschnittlich also mehr als 3.000 Euro netto (für Singles) oder 6.000 Euro netto (für Ehepaare) im Monat zur Verfügung hat. Dann gehören Sie zum reichsten Sechzehntel der Bevölkerung. Vielleicht aber tun Sie nur so, als wären Sie reich und gebildet? Recht haben Sie! Gesellschaft beginnt im Kopf. Und falls Sie wirklich viel Geld haben: Spenden Sie einfach mehr, das ist nicht so asozial.
Eher Typ B: Sie sind Aufsteiger, Abstiegsvermeider – und stolz darauf, dass Sie deutsche Präpositionen korrekt verwenden können. Sie gucken nur in Ausnahmefällen RTL II, wobei Sie dazu neigen, das Programm im Freundeskreis später auch noch abfällig zu diskutieren. Doch Vorsicht: 50-Stunden-Wochen sind keine Garantie dafür, dass Sie nicht doch irgendwann bei Ihrem Arbeitgeber ziemlich überflüssig werden können. Passen Sie auf Ihre Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Empfängern auf – die Welt ist nämlich recht vielfältig.
Eher Typ A: Sie sehen die Dinge in globalen Maßstäben, wo Sie auch dann zur Mittelschicht gehören, wenn es Ihnen mal finanziell nicht so gut gehen sollte. Sie wissen aber auch, dass die Mitgliedschaft in der hiesigen Unterschicht gewisse Vorteile hat: Von da ab geht es nämlich nur noch aufwärts, das sieht man beispielsweise an der Biografie unseres Exbundeskanzlers. Es ist auch eine Qualität, sich die Maßstäbe selbst basteln zu können. Und Sie bevormunden andere ja auch nicht in der Frage, welches Fernsehprogramm man gucken müsste.